© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/98 08. Mai 1998 |
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Gerhard-Schröder-Biographie: Horst Mahler stellt das Buch eines Konservativen vor Hoffnung keimt im Verborgenen von Thorsten Thaler Vor der Kür steht die Pflicht. Also heißt es erst einmal, sich einzutragen in die obligatorische Anwesenheitsliste für Pressevertreter; erst danach bekommt man von einer jungen Frau ein Exemplar jenes Buches ausgehändigt, das der Presse- & Medien-Club Berlin an diesem Vormittag im Hotel Interconti erstmals der Öffentlichkeit vorstellt. "Gerhard Schröder Der Weg nach oben" heißt der Titel, erschienen im neugegründeten Dirk Lehrach Verlag, Düsseldorf, und Ansgar Graw ist der Autor. Eingeladen zur Präsentation seines neuen Buches hat der konservative Publizist und studierte Historiker Graw einen Mann, den viele seiner alten Weggefährten hier nicht vermuten würden: Horst Mahler, 68er-Aktivist in vorderster Front, Mitbegründer der Rote Armee Fraktion (RAF) und Chefideologe des bundesdeutschen Linksterrorismus. Aus seiner Feder stammte 1971 das wichtigste "Gründungsdokument" der RAF, die im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit verfaßte Schrift "Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa". Mit Gerhard Schröder verbinden den heute 62jährigen Rechtsanwalt Mahler viele gemeinsam verbrachte Stunden und Gespräche in einer Zeit, in der Schröder seinerseits als Anwalt für Mahler tätig war. Daß Schröder damals, im Juni 1978, überhaupt die Vertretung des noch inhaftierten Mahler übernahm, war beileibe keine Selbstverständlichkeit. Im Jahr zuvor hatte der RAF-Terror mit der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback, des Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, sowie der Entführung und Hinrichtung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer seinen blutigen Höhepunkt erreicht. Horst Mahler, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits vom Terrorismus losgesagt hatte und zudem noch seine Haftstrafe verbüßte, war an diesen Aktionen nicht beteiligt. Dennoch konnte "ein linker Anwalt wie Schröder, als Juso-Chef ohnehin zum Bürgerschreck prädestiniert, vor einem solchen Hintergrund in den Verdacht geraten, mit Terroristen zu sympathisieren", schreibt Ansgar Graw in seiner Schröder-Biographie. Daß Mahler heute, 20 Jahre später, eben diese Biographie vorstellt, hat indes nicht nur mit Schröder zu tun. Ihn habe auch gereizt, daß der Autor alles andere als eine Nähe zur SPD aufweise, sondern eher dem liberal-konservativen Spektrum zuzuordnen sei, wie Mahler zu Beginn seiner Rede erläutert. Ansgar Graw wird diesen Ball später aufgreifen mit seiner Feststellung, er habe das Buch zwar mit "journalistischer Neugier und ehrlicher Faszination", aber auch aus einer "kritischen Distanz" heraus geschrieben. Für einen Biographen sei es sicher von Vorteil, sich durch allzu große Nähe nicht korrumpieren zu lassen, sagt Graw. Der seit 1993 beim Sender Freies Berlin (SFB) beschäftigte Journalist zeichnet von dem SPD-Kanzlerkandidaten das Bild eines jovialen und energischen Aufsteigers, der stets auf seine eigene Kraft vertraut und dabei gelegentlich ganz bewußt gegen die Parteidoktrin verstoßen habe. Eine Bewertung, die auch von Horst Mahler aus seiner Beobachtung des Werdegangs Schröders geteilt wird. Seinen Weg zur Kanzlerkandidatur habe der 54jährige SPD-Politiker "neben der Partei, zum Teil gegen sie gemacht", sagt Mahler. Obwohl es Schröder schon als jungen Bonner Abgeordneten an die Schalthebel der Macht gedrängt habe, werde sein Handeln bis heute nicht von irgendeiner Utopie bestimmt, glaubt Mahler. "Schröder denkt nicht von der Zukunft rückwärts, sondern geht vom jetzigen Zustand der Gesellschaft aus". Mit Blick auf die Bundestagswahl am 27. September räumt Mahler dem SPD-Kandidaten zwar eine "reelle Chance" ein, ins Kanzleramt einzuziehen; ob er auch das Format dazu habe, werde sich indes erst noch erweisen müssen. Was er damit meint, präzisiert Mahler auf Nachfrage der jungen freiheit: "In einer Zeit, in der wir um ein anderes Staatsverständnis ringen und über das Verhältnis von Freiheit und Staat neu nachdenken müssen, ist ein Bundeskanzler nicht genug. Es braucht eine geschichtliche Persönlichkeit." Und Ansgar Graw zitiert in seinem Buch Mahler mit den Worten, Schröder könne die "verstaubte deutsche Sozialdemokratie" in die Gegenwart holen und für das 21. Jahrhundert tauglich machen. Graw selber ist in seinem Urteil verhaltener. Er sieht Schröder als "ein Phänomen in der Mediendemokratie, eine Art Pop-Ikone in der nüchternen Polit-arena". Was er in seinem Buch zusammengetragen hat, sind Zitate und Ansichten Schröders, Bewertungen seiner Politik aus unterschiedlichen Medien und Epochen sowie Einschätzungen von Feinden und Gegnern des SPD-Kanzlerkandidaten. Trotzdem kann auch Ansgar Graw seine hinter Fakten und Meinungen Dritter bis fast zur Unkenntlichkeit verborgene Hoffnung, die er mit Schröder verbindet, nicht vollständig leugnen. Vielleicht sei Schröder "der erste SPD-Politiker in vorderster Linie", schreibt Graw gleich im ersten Kapitel, "der nicht mehr dem Typus des Bonner Umverteilungs-Politikers entspricht, sondern die sozialdemokratische Variante des ideologiefreien Pragmatikers der neuen, der Berliner Republik verkörpert". Doch wie auch immer die Politschlacht zwischen Kohl und Schröder am 27. September ausgehen mag, um vor der Bundestagswahl mitreden zu können, empfiehlt Horst Mahler, müsse man das Buch von Ansgar Graw gelesen haben. Es sei eine "Pflichlektüre für jeden politisch Interessierten in diesem Lande", meint Mahler sehr zur Freude des jungen Verlegers.
Eine ausführliche Rezension des Buches von Ansgar Graw "Gerhard Schröder der Weg nach oben" folgt in einer der nächsten JF-Ausgaben. |