© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/24-01/25 / 20.-27. Dezember 2024

Der Flaneur
Geschenke und Putz
Elke Lau

Früher lautete unser Motto „Wenn dich ein Arbeitseifer überfällt, setz’ dich auf einen Hocker und warte, bis er vorbei ist.“ Klappt heute nicht. Von wertvollem Porzellan – selten benutzt – hatten wir uns bereits getrennt. Nun sind Gläser und sonstiges Alltagsgeschirr an der Reihe. Endlich ist wieder Platz in den Schränken. 

Wir stellen den gut gefüllten alten Koffer mit dem Hinweis „zu verschenken“ vor der Haustür ab und beschließen, nach getaner Arbeit zur Belohnung den Abend bei einem  Absacker in einer gemütlichen Kneipe zu verbringen. Das Lokal in der Studentenstadt ist gut besucht, aber drei junge Männer rücken bereitwillig ein Stück zur Seite. Sie sind beim Würfeln und guter Laune – wohl auch diversen Schnäpsen zu verdanken, den leeren Gläsern nach zu urteilen.

Unsere Getränke werden serviert. Aus Höflichkeit prosten wir den Nachbarn zu, worauf die uns sofort auffordern, mitzuspielen. Wir willigen ein. Es wird nicht um Geld, sondern um Schnapsrunden gewürfelt. Je weiter der Abend fortschreitet, je mehr Aufmerksamkeit erntet unser Tisch, aber der Kellner freut sich über den Umsatz. Kein Wunder, daß wir nicht mehr so ganz sicher auf den Beinen sind, als wir das Lokal verlassen. Fußgänger, die uns begegnen, grinsen, und es fällt so manche witzige Bemerkung.

Wir sind fast zu Hause, da entdecke ich im erleuchteten Eingang des Nachbarhauses einen Karton.

Wir sind fast zu Hause, als ich plötzlich stutzig werde. Mitten im hell erleuchteten Eingang unseres Nebenhauses steht ein Karton. Ich platze vor Neugier, will unbedingt wissen, was hier den Besitzer wechseln soll. Ehe Begleiter Uli protestieren kann, halte ich schon zwei Blumenvasen in der Hand und schaue begeistert auf die übrigen „Geschenkartikel“: Teller, Tassen, Schüsseln, Leuchter, kunterbunte Farben, die uns an Mexiko erinnern.

Auch Uli ist fasziniert. Wir sind schlagartig nüchtern, diskutieren nicht, schleppen die Kiste in unsere Behausung, bestaunen jedes einzelne Stück bei Licht, waschen die Neuzugänge sorgfältig ab und verstauen alles sorgsam in den Schränken. Die sind nun wieder voll.



Die meisten Menschen machen sich selbst bloß durch übertriebene Forderungen an das Schicksal unzufrieden.

Wilhelm von Humboldt (1767–1835)