© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/24-01/25 / 20.-27. Dezember 2024

Umwelt
Wenn der Kaminfeger klopft
Paul Leonhard

Die Familie sitzt im Wohnzimmer am Kamin, das Holz knistert, die Kinder kuscheln sich an die Mutter, der Vater liest aus einem Geschichtenbuch. Dann klopft es an der Tür. Aber es ist kein verspäteter Weihnachtsmann. Er trägt Schwarz statt Rot und möchte auch kein Gedicht hören: Wurde bis 1989 in der DDR verlangt, ein Hausbuch über alle Besucher zu führen, so verlangt die Bundesregierung von Kaminbesitzern ein Kehrbuch. Aus diesem kann der Bezirksschornsteinfegermeister bei seinem nicht angemeldeten Hausbesuch erkennen, ob der Kamin noch genutzt werden kann oder längst ausgetauscht, nachgerüstet oder stillgelegt sein müßte. Die letzte Gnadenfrist läuft am 31. Dezember aus.

Anhand der Rußablagerungen prüfen, ob bei der Buchführung nicht geschummelt wurde.

Dann gilt die novellierte Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchG) gnadenlos: Kamine und Öfen müssen mit einem Staubfilter ausgerüstet sein, wenn sie mehr als vier Gramm Kohlenmonoxid oder mehr als 0,15 Gramm Feinstaub pro Kubikmeter Abgas ausstoßen. Allein in Berlin sind noch 115.000 Kaminöfen in Betrieb – aber wie viele sind noch legal? Ausgenommen von der Filterpflicht sind vor 1950 errichtete Kamine, die noch an ihrem ursprünglichen Platz stehen und fest in die Wand eingebaut sind. Oder wenn man behauptet, daß der Kamin nicht mehr als acht Tage im Monat für jeweils fünf Stunden betrieben und darüber Buch geführt wurde. Doch der Schornsteinfeger kann anhand der Rußablagerungen prüfen, ob bei der Buchführung geschummelt wurde. Auch die Ausrede, die Zentralheizung sei ausgefallen und der Kamin sei „Notfeuerstätte“, kann überprüft werden. Die Bußgelder können bis zu 50.000 Euro betragen – ein elektrostatischer Filter kostet mit Einbau und Zulassung mindestens 3.000 Euro. Dabei war die BImSchG vor 50 Jahren nur dazu gedacht, den Himmel über dem Ruhrpott wieder blau zu machen.