Diverses. Wie der Kirchenhistoriker Anselm Schubert zu Beginn anmerkt, gibt es spätestens seit den sechziger Jahren Versuche, die Geschlechterfrage auf Gott auszuweiten. Manche Ausläufer der feministischen Bewegung, denen Klassenkampf und marxistischer Materialismus zu trocken erschienen, bemühten sich früh um eine spirituelle Grundierung ihres Befreiungskampfes – womit auch die Frage auf den Tisch kam, ob anstatt eines Herrgotts nicht auch eine Große Mutter oder ein völlig geschlechtsloses Wesen als Urgrund aller Dinge anzunehmen sei.
Eigentlich, so Schuberts These, seien derartige Vorstellungen aber deutlich älter. So habe sich die christliche Theologie im Mittelalter von den Geschlechtervorstellungen der Antike gelöst – der Mann im Gegensatz zur Frau als vollkommendes Abbild des Menschen –, und Christus bereits „weibliche“ Attribute angedichtet. So sei seine Seitenwunde metaphorisch als Vagina oder Uterus gelesen worden. In bestimmten mystischen Traditionen habe man sich Christus als androgynes Wesen vorgestellt.
Von dieser Ausgangsbasis schreibt Schubert über vergleichbare Vorstellungen in der frühen Neuzeit, etwa in den symbolisch aufgeladenen Bildern des Dürer-Zeitgenossen Hans Baldung Grien, und schließlich über zahlreiche alternative Jesus-Ideen der Moderne. Dabei beschränkt sich Schubert nicht auf die Geschlechtszugehörigkeit Christi, sondern geht der Frage nach, ob Jesus keusch gelebt oder sogar Kinder gezeugt habe. (lb)
Anselm Schubert: Christus (m/w/d). Eine Geschlechtergeschichte. Verlag C.H. Beck, München 2024, gebunden, 274 Seiten, Abbildungen, 32 Euro
Zurück zur Tradition. Was macht die Identität eines treuen Katholiken aus – auch und gerade in „unchristlichen“ Zeiten? Diese Frage versucht Heinz-Lothar Barth in seinem neuen Buch zu beantworten. Detailliert erklärt der Altphilologe die Ursprünge der christlichen Theologie, deren Umgang mit kirchenfernen Einflüssen und Begriffe wie Nächstenliebe aus traditionalistischer Sicht. An vielen Stellen plädiert er dafür, sich auf die katholische Lehre aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu besinnen. Kritisch sieht Barth hingegen moderne Einflüsse und wirft dabei vielen Kirchenoberen eine Anbiederung an den Zeitgeist vor. Dies umfaßt sowohl die seiner Meinung nach unkritische Übernahme philosophischer Tendenzen wie des Subjektivismus als auch tagesaktuelle Äußerungen zur AfD sowie die Corona-Politik der Kirche. Zum Schluß gibt Barth seinen Glaubensgenossen einen persönlichen Rat für den Alltag: „Wir müssen uns in kindlicher und demütiger Weise der Gottesmutter anvertrauen.“ (kuk)
Heinz-Lothar Barth: Der Katholik. Seine religiöse und kulturelle Identität und deren Gefährdung. Editiones Scholasticae, Neunkirchen-Seelscheid 2024, gebunden, 376 Seiten, 39 Euro