© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/24-01/25 / 20.-27. Dezember 2024

Das N-Wort
Kino II: Sönke Wortmanns Ensemblestück „Der Spitzname“ veräppelt den linksradikalen Wokismus
Dietmar Mehrens

So allmählich wird es zum Volkssport, in deutschen Kinokomödien die Verirrungen der Gender- und Regenbogenideologie nach Strich und Faden zu verulken. Keine Sekunde zu früh, kann man da nur sagen. Denn die Kulturszene hat sich ziemlich viel Zeit damit gelassen, die Steilvorlagen des linkswoken Totalitarismus für ätzende Kritik zu nutzen. Doch inzwischen überbieten sich Filmschaffende mit Satiren auf einen pathogen ausgearteten Diskurs.

Den Anfang machte vor sechs Wochen Simon Verhoevens Komödie „Alter weißer Mann“ (JF 45/24). Es folgte aus Frankreich „Frohes Fest – Weihnachten retten wir die Welt!“ von Jeanne Gottesdiener (JF 47/24). Nun legt Sönke Wortmann mit „Der Spitzname“ nach, dem dritten Teil einer Kinoreihe über die Eskapaden und amourösen Verstrickungen einer bundesdeutschen Familie aus dem gehobenen Bürgertum, also dem Milieu, in dem grün gewählt und privat mit Riesen-CO2-Fußabdruck durch die Lande gedüst wird – ein Fall von Doppelmoral, der im Film auch Erwähnung findet. Dafür sorgt die Regenbogen-Extremistin Antigone (Kya-Celina Barucki), genannt Tiggy, ganz Kind ihrer Zeit. Die vorlaute 17jährige ist so etwas wie das wandelnde Klimagerechtigkeitsgewissen ihrer Generation, die sich bekanntlich für die letzte hält, die noch die Chance hat, die Welt vor dem Untergang zu retten. Als Hochzeitsgast in einem Luxushotel mit Wohlfühl-Oase bieten sich ihr jede Menge Gelegenheiten für ihre Moralpredigten zu den Themen Klima-, Geschlechter- und soziale Gerechtigkeit.

Lügen und Geheimnisse untergraben die Festmoral

Eingeladen hat sie, ihre Eltern Stephan (Christoph Maria Herbst) und Elisabeth (Caroline Peters) sowie die Herbert-Grönemeyer-Karikatur Cajus (Jona Volkmann), ihren Bruder, das Brautpaar Anna (Janina Uhse) und Thomas (Florian David Fitz). Braut und Bräutigam spendieren ihnen und anderen Familienangehörigen (darunter Iris Berben als Thomas’ Mutter Dorothea) aus Anlaß ihrer Vermählung nämlich einen Kurzurlaub im österreichischen Gradonna Mountain Resort. (Das gibt’s übrigens wirklich.) Nobel geht die Welt zugrunde. Die von Anna ersehnte Harmonie während der Familienzusammenkunft jedoch ist brüchig.

Der Bräutigam, der Töchterchen Paula zu Annas Unmut mit dem Spitznamen „Paulchen“ versehen hat, schleppt ein belastendes Geheimnis mit sich herum, von dem sowohl Anna als auch Stephan Wind bekommen haben. Lügen und Geheimnisse untergraben die Festmoral, am meisten aber Heiligenscheinabonnentin Tiggy. In einer Diskussion über das „N-Wort“, dessen unbedachte Äußerung Stephan seine Anstellung als Hochschullehrer gekostet hat, gipfelt schließlich der ganze gesellschaftliche Irrsinn um Gesinnungsschnüffelei und Sprechtabus. „Hast du ‘das N-Wort’gesagt?“, wird Stephan da gefragt. Er hat es gesagt, und da er dabei auf eine „Triggerwarnung“ verzichtet hat, ist für T(r)iggy klar: Stephan hat jede Sanktion verdient.

Mit mangelnder sprachlicher und auch sonstiger Sensibilität hat aber auch Thomas zu kämpfen, der in seiner Immobilienfirma kurz davor ist, in den Vorstand aufzusteigen, vorausgesetzt daß er bei dem damit zwingend verbundenen „sensitivity coaching“ gut abschneidet. Neben den sprachlichen Unfällen, die Stephan indes nicht immer sauber korrigiert, sorgen ein Skiunfall und eine kindische Sabotageaktion zur Klimarettung für Turbulenzen. Am Ende streikt auf dem Weg zum Traualtar auch noch die Seilbahn.

Woody Allen ist so etwas wie der Erfinder der „Laberkomödie“: wenig äußere Handlung, viele spritzige Dialoge, und zwar vorzugsweise zum Thema Liebe und Partnerschaft. Mit „Der Vorname“ gelang Regisseur Sönke Wortmann („Der bewegte Mann“, „Der Campus“) vor sechs Jahren dank dieser Rezeptur ein Überraschungserfolg, an den er mit „Der Nachname“ 2022 anzuknüpfen versuchte (JF 43/22). Erst ging es um einen politisch unkorrekten Vornamen, dann – mit Drehort Lanzarote – um ein experimentelles Familienmodell. Diesmal dienen die Osttiroler Alpen als filmreife Kulisse für das Ensemblestück. Vor allem die geistreichen Einwürfe von Sprachpapst Stephan unterhalten glänzend, und die Berge sorgen für Panoramabilder, die dem sonst eher simpel gestrickten Film ein bißchen Erhabenheit verleihen.

Festzuhalten bleibt auch, daß es der Produktion um Claudius Pläging (Drehbuch) und Sönke Wortmann (Regie) offenbar ernst war mit ihrer Persiflage auf den „woken“ Zeitgeist. Es findet sich im Abspann kein einziger Genderstern! Und es gab auch keine Bescherung aus dem Fördersäckel der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. „Der Spitzname“ ist wohl eher kein Film für Claudia Roth.

Foto: Hochzeitsgesellschaft mit der Regenbogen-Extremistin Antigone (Kya-Celina Barucki, 2.v.r.)

Kinostart ist am 19. Dezember 2024