© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/24-01/25 / 20.-27. Dezember 2024

Wer über die Wörter herrscht, herrscht über die menschliche Psyche
Einübung in die freiwillige Unterwerfung

In modernen, von Medien geprägten Demokratien gehört der kühl kalkulierte Einsatz sprachlicher Mittel zwecks Manipulation von Wählern zu den Strategien politischen Handelns. Darum erlebe das Korridore des Sagbaren einengende „Semantikmanagement“, wie der Literaturwissenschaftler Peter J. Brenner ausführt (Tumult, 4-2024/25), in heutigen Zeiten sich zuspitzender gesellschaftlicher Widersprüche eine Hochkonjunktur. Beliebtestes Instrument sei dabei die Tabuisierung von Wörtern wie „Neger“. Kam dieses inzwischen verbotenste aller Wörter der deutschen Alltagssprache im Duden von 1978 lexikalisch noch ungeschoren davon, werde der Benutzer in der 29. Auflage von 2024 ausdrücklich gewarnt: Neger und die gendergerechte weibliche Form seien stark diskriminierende Bezeichnungen, die vermieden werden sollten. Nach diesem Muster werde die Immunisierung politischer Positionen durch die Moralisierung des Sprachgebrauchs forciert. Mittlerweile sei sie im Zentrum medialer Macht, im zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) angekommen, wo „Haltung“ Faktenorientierung verdränge. Die Regulierung des lebensweltlichen Sprachgebrauchs durch Tabuisierung von Wörtern und Begriffen dringe nun, wie in George Orwells „1984“ prophezeit, in Tiefenschichten menschlichen Zusammenlebens vor. Weit über das hinaus, was historisch bekannte Formen der „Zensur“ erreichen. Ziel solcher Sprachumdeutungen sei die Verinnerlichung des „Neusprechs“ als Einübung in die freiwillige Unterwerfung. Getreu der Maxime des „Großen Bruders“: „Wer über die Wörter herrscht, herrscht über das Innerste des Menschen“. (dg)

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