Komplexe Zeiten brauchen gesellschaftlichen Streit, der nicht spaltet, sondern Lösungen hervorbringt.“ Diese Hohlformel könnte als typischer Satzbaustein eine bundespräsidiale Rede zieren. Sie stammt aber aus einem Essay Korbinian Frenzels (Deutschlandfunk Kultur), der mit Hilfe der Co-Autorin, der Politologin Julia Reuschenbach (FU Berlin), ein höheres pseudowissenschaftliches Niveau vortäuscht (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 12/2024). Beide Verfasser haben zwar letzte Habermas-Illusionen verloren und hoffen nicht mehr auf die „Wirkungsmacht des besseren Arguments“. Aber zur Erklärung dieses Verfalls „deutscher Debattenkultur“ greifen sie als routinierte linke Verschwörungstheoretiker auf sonst reflexhaft dem politischen Gegner unterstellte „einfache Antworten auf hochkomplexe Fragen“ zurück. „Ohne Zweifel“ zerstörten soziale Medien und nicht etwa schlechte Politik den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Allen voran Plattformen „reicher Milliardäre aus dem Silicon Valley“, unter denen namentlich der X-Eigentümer Elon Musk (siehe das Porträt auf Seite 10 dieser Ausgabe) eine „problematische Rolle“ bei der Beeinflussung junger Menschen spiele. Politiker von den „Parteien der Mitte“ und „Qualitätsjournalisten“ könnten ihre verlorene Kontrolle über die „fragmentierte Öffentlichkeit“ aber zurückgewinnen, wenn sie in alternativen Medien ausgefochtene „Scheindebatten“ wie die zu Migrationsfragen oder zum Bürgergeld für Fremde nicht befeuern, sondern „konstruktiver abbilden“, um sie wie früher zu steuern, als sich die meisten Bürger noch um das „20-Uhr-Tagesschau-Lagerfeuer“ versammelten. (ob)
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