© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/24-01/25 / 20.-27. Dezember 2024

Zwischen gehen müssen und bleiben dürfen
Migration: Im beginnenden Wahlkampf geht es um die Frage, ob Syrer nach dem Sturz des Assad-Regimes in ihre Heimat zurückkehren sollen
Christian Schreiber

Nach dem Sturz des Assad-Regimes ist die Debatte über eine Rückkehr der in Deutschland lebenden Syrer entbrannt.  Dazu beigetragen haben auch Rückkehr-Aufrufe der derzeitigen Machthaber in dem von einem jahrelangen Bürgerkrieg gebeutelten Land. Nahezu eine Million Syrer sind im Zuge mehrerer Einwanderungswellen in den vergangenen zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Nicht einmal jeder zweite Syrer im erwerbsfähigen Alter geht hierzulande einer regulären Beschäftigung nach, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen. Nur etwas mehr als 200.000 der aus dem Land hier Eingewanderten sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 

CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz forderte angesichts der veränderten Lage in Damaskus, Syrer sollten zu großen Teilen aus Deutschland in ihre Heimat zurückkehren. „Zwei Drittel arbeiten nicht, sind ganz überwiegend junge Männer. Und von denen können viele zurück, und von denen müssen auch viele zurück“, so Merz. Wer aber hier arbeite und gut integriert sei, könne „selbstverständlich“ bleiben. Vorrangig sei laut Merz ein Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien. „In jedem Falle ist richtig, jetzt nicht weitere Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen“, sagte er in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte jedoch zu Beginn dieser Woche mit, man stelle momentan „keine auffälligen Bewegungen aus Syrien heraus“ fest. Dies bestätige auch die Bundespolizei. Die Sicherheitsbehörden seien derzeit sehr wachsam, „weil natürlich niemand Unterstützern des Assad-Regimes hier in irgendeiner Weise Aufnahme und Schutz gewähren möchte“.

Für den parlamentarischen Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), gibt es keinen Grund mehr, syrischen Flüchtlingen in Deutschland subsidiären Schutz zu gewähren. „Wir hatten schon vor einigen Wochen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster, das darauf hingewiesen hat, daß es jedenfalls nicht uneingeschränkt für alle Syrer einen sogenannten subsidiären Schutz geben darf, weil es nicht für alle Syrer oder für Zivilisten in allen Teilen des Landes letztlich Lebensgefahr gibt. Nach dem Sturz Assads, vor dem die Menschen ja überwiegend geflohen sind, gilt das eben zweimal nicht“, sagte Frei. Von den insgesamt 974.136 Syrern, die laut Innenministerium zum Stichtag 31. Oktober in Deutschland lebten, sind lediglich 5.090 anerkannte Asylanten. Das entspricht 0,52 Prozent. Der Rest war „subsidiär schutzberechtigt“ (329.242) oder erhielt einen sogenannten „Flüchtlingsschutz“ (321.444). 318.360 weitere Syrer haben nach Aussage des Innenministeriums „sonstige Aufenthaltsgründe“, ohne daß es diese näher aufführt. Die Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf Fragen des Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm (AfD) hervor, die der JUNGEN FREIHEIT vorliegt.

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, empfindet die Debatte über eine Rückkehr syrischer Migranten dagegen als „ziemlich geschmacklos“. Derzeit sei Syrien kein sicheres Herkunftsland, sagte sie im ZDF. Unterdessen wandten sich auch Vertreter von Wirtschaftsverbänden mit Blick auf den Arbeitskräfte-Bedarf unter anderem in der Gastronomie oder Pflege gegen Rückkehr-Forderungen. Und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnte vor einem Zusammenbruch des deutschen Krankenhaus-Systems, sollten die insgesamt in Deutschland tätigen 6.000 syrischen Ärzte die Heimreise antreten müssen. 

Dabei können sich dank der von der SPD-FDP-Grüne-Koalition beschlossenen „Turbo-Einbürgerung“ inzwischen sämtliche Einwanderer, die bis 2019 nach Deutschland gekommen sind, unabhängig von ihrem Status um die deutsche Staatsangehörigkeit bewerben, sofern sie ihren Lebensunterhalt bestreiten und nicht straffällig geworden sind. 

Mit Blick darauf forderte AfD-Politiker Holm gegenüber der jungen freiheit „ein Einbürgerungsmoratorium für Syrer“. Es müsse ausgelotet werden, „wie das von der Ampel geänderte Staatsangehörigkeitsgesetz für Syrer ausgesetzt werden kann“. Ansonsten könne, so der AfD-Abgeordnete, „mittlerweile ein Großteil der hier lebenden Syrer den deutschen Paß beantragen“.

Der Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migration, Joachim Stamp (FDP), regte an, die Politik müsse sich jetzt Gedanken machen, wie man freiwillige Rückkehrer unterstützen könne. Dänemark etwa, das seit Jahren einen strikten Einwanderungskurs fährt, zahlt Erwachsenen bei einer Rückkehr nach Syrien umgerechnet bis zu 25.000 Euro.