Bodo Ramelow denkt gerne in großen Dimensionen. Auch in Zukunft müsse es darum gehen, „die Normalisierung des Faschismus zu bekämpfen und dem destruktiven Spiel der AfD keinen Raum zu bieten“, erklärte der gewesene Ministerpräsident des Freistaats Thüringen unmittelbar nach der Wahl seines Nachfolgers Mario Voigt (CDU). Die sogenannte Brombeer-Koalition aus CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD verfügt nur über 44 Mandate und damit nicht über eine eigene Mehrheit. Daß einige Linken-Abgeordnete, darunter Ramelow, die Hand für den einstigen Klassenfeind gehoben haben, wurde mittlerweile offiziell bestätigt.
Die neue Thüringer Landesregierung sei das Ergebnis „des reinen Machtwillens eines Mario Voigt“, wetterte der Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD, Björn Höcke. Seine Partei spielte beim Machtpoker in Erfurt am Ende keine Rolle. „Dieser Mann ist abhängig von linken Kräften“, meinte Höcke mit Blick auf Voigts Wahl. Und in der Tat hat die CDU teuer bezahlt. Weil es in keiner Weise eine auch nur irgendwie geartete Zusammenarbeit mit der AfD, der größten Fraktion, geben soll, garantiert die Koalition der Linken, sie frühzeitig in jedes Gesetzesvorhaben einzubinden.
Und dann gibt es natürlich die Unwägbarkeiten im BSW. Die Umfragewerte sind rückläufig und viele Protestwähler dürfte die junge Partei mit ihrer allzu großen Regierungsbereitschaft wieder verprellt haben. So gilt es nicht als ausgeschlossen, daß Wagenknecht die Koalition durchaus platzen lassen könnte, wenn ihr etwas gegen den Strich geht.
Doch das ist Zukunftsmusik. Neben Voigt gehören vier Frauen und fünf Männer dem neuen Kabinett in Erfurt an. Interessant ist die Personalie Colette Boos-John. Die 55jährige stammt aus einem mittelständischen Familienunternehmen und ist somit durchaus prädestiniert für das Amt der Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerin. Als CDU-Mitglied trat sie bislang politisch kaum in Erscheinung. Zum Bildungsminister ernannte Voigt den Gymnasiallehrer und CDU-Abgeordneten Christian Tischner. Er wird auch für die Bereiche Wissenschaft und Kultur zuständig sein. Der 43jährige gilt als treuer Gefolgsmann des neuen Ministerpräsidenten.
Deutlich pikanter sind die BSW-Personalien. Daß die frühere Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf das Finanzressort erhielt, ist keine Überraschung. Wolf ist eine Vollblutpolitikerin und weiß, was Kabinettsdisziplin bedeutet. Der Fall Tilo Kummer zeigt aber, wie dünn die Personaldecke der neuen Partei ist. Der einstige Linken-Abgeordnete hat eine Stasi-Vergangenheit und war 2023 als Bürgermeister von Hildburghausen abgewählt worden. „Während 1989 DDR-Jugendliche für Freiheit und Demokratie demonstrierten, diente Kummer der Stasi“, schrieb die Bild-Zeitung und legte den Finger in die Wunde: Selbst Ramelow habe ihn nie zum Minister gemacht.
Auch wenn der Ministerpräsident nun Voigt heißt, ganz weg ist Ramelow nicht. Der 68jährige habe als „Architekt einer stabilen Landesregierung mitgewirkt“, sagte BSW-Chefin Wolf. So wird aus einem abgewählten Landesvater nachträglich ein Wahlgewinner.