Wie ein Fremdkörper stehen sie inmitten der schmucken Neubausiedlung. Frisch errichtete Wohncontainer für knapp 200 Migranten, die am Schlehenring in der 13.000-Einwohner-Gemeinde Kirchheim bei München stehen. 33 Wohneinheiten, zwei Stockwerke hoch. Jeder der einzelnen weißen Kästen ist mit einer Tür und drei Fenstern versehen. Ein Bauzaun verläuft rund um das Containerdorf, in dem bisher noch gähnende Leere herrscht.
„Eigentlich hätten die Flüchtlinge schon Mitte Oktober einziehen sollen, aber bisher wohnen da nur ganz wenige“, berichtet eine etwa 30 Jahre alte Anwohnerin der JUNGEN FREIHEIT von den unerwarteten Verzögerungen bei der Fertigstellung. Ihr gerade erst neu gebautes Haus befindet sich direkt neben dem Bauzaun. Keine angenehme Situation. Trotzdem bleibt die Frau optimistisch. Noch. „Bei einem Vor-Ort-Termin im September hatte uns die Gemeinde versichert, daß es sich bei den Flüchtlingen ausschließlich um Ukrainer handelt. Das glauben wir jetzt erstmal so und warten ab, was weiter passiert“, erzählt sie.
Manch anderer Anwohner hingegen hat diesen Glauben längst verloren. „Die Stimmung kippt“, meint ein 34 Jahre alter Familienvater, dessen Haus sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum Containerdorf befindet. „Erst hatte es geheißen, hier kommt ein neuer Kindergarten hin. Jetzt stehen hier diese Container“, ärgert er sich. Das sei „schon das erste Versprechen, das die Gemeinde gebrochen hat. Wer sagt denn, daß sie es nicht ein weiteres Mal bricht?“
Ein Drittel aller Gemeinden befindet sich im Krisenmodus
Unberechtigt sind diese Sorgen nicht. Städte und Gemeinden geraten zunehmend unter Druck, weil sie einerseits gesetzlich dazu verpflichtet sind, Migranten unterzubringen, andererseits aber händeringend nach geeigneten Standorten und Wohnungen suchen. Waren Asylunterkünfte in den vergangenen Jahren noch in eher abgelegenen Gegenden an den Stadträndern errichtet worden, so entstehen sie mittlerweile aus Mangel an geeigneten Standorten zunehmend in attraktiveren Ortslagen.
Allein im vergangenen Jahr mußten Deutschlands Kommunen Wohnraum für 350.000 neue Migranten schaffen. In diesem Jahr werden es noch einmal mehr als 250.000 sein. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration (DESI) gab ein Drittel von 600 befragten Gemeinden an, sich bezüglich der Unterbringung von Migranten im Krisenmodus zu befinden. Mit der Folge, daß Orte wie Kirchheim aus allen Nähten platzen, die Gemeinde sich jetzt sogar gezwungen sieht, Container inmitten zweier Neubausiedlungen gut betuchter Einwohner zu errichten. Am Schlehenring sehen die Anwohner das bisher noch mit gemischten Gefühlen. Aber das Verständnis für solche Maßnahmen nimmt ab.
Zwar habe der Kirchheimer Gemeinderat einen Beschluß gefaßt, die Container nur bis Ende 2026 stehenzulassen. „Aber davon bin ich erst überzeugt, wenn die Dinger auch wirklich wieder abgeholt werden. Wenn der Krieg in der Ukraine weiter eskaliert, kommen doch noch mehr Flüchtlinge, und das alles ist dann Schnee von gestern“, befürchtet der Familienvater.
Auch an die ausschließliche Belegung mit Ukrainern will er nicht so recht glauben. „Das mag ja zunächst so sein, aber wer sagt uns denn, daß es so bleibt?“ Schließlich gebe es in Kirchheim bereits jetzt schon mehrere Asylantenunterkünfte, in denen auch Syrer und Afghanen untergebracht seien. „Und wir alle merken doch, es kommen mehr. Wenn die Container erst mal voll belegt sind und die Leute nichts zu tun haben, mache nicht nur ich mir echt Sorgen.“
Beim Vor-Ort-Termin im September seien mehr als 150 dieser besorgten Anwohner erschienen. Verbunden mit der Befürchtung, daß letztlich doch nicht nur Ukrainer, sondern auch „potentielle Messerstecher aus Syrien oder Afghanistan“ bald zu den neuen Nachbarn zählen könnten. „Hier leben viele junge Familien mit ihren Kindern, und der Kindergarten ist gerade mal hundert Meter von dem Containerdorf entfernt. Ist doch klar, daß viele nervös sind.“ Wenn er mit seinen Nachbarn zusammenkomme, seien die Container stets Gesprächsthema. „Die haben sich gerade ein neues Eigenheim gebaut, haben dafür hart gearbeitet und teilweise lange gespart. Und dann stellt man dir plötzlich so einen Blechkoloß vor die Tür. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Leute immer weniger Verständnis für diese Politik aufbringen.“ Einige Nachbarn würden sogar einen Wertverlust ihres Hauses befürchten, sollte sich die Flüchtlingsproblematik im Ort weiter verschärfen.
Eine ältere Frau kommt vorbei, schaltet sich in das Gespräch mit der JF ein. „Irgendwo müssen die Leute ja nun mal unterkommen“, argumentiert sie. Doch auch sie räumt ein: „In den letzten Jahren ist es doch schon arg viel geworden mit den Flüchtlingen, das hat den Ort verändert.“
„Als Feuerwehrmann bekomme ich die Ver-änderungen in Kirchheim ja regelmäßig mit“, schildert ein weiterer Anwohner der JF. Oft werde er zu Einsätzen in den einzelnen Asylunterkünften der Gemeinde gerufen. „Meistens wegen Rauch-entwicklung in der Küche. Die haben einfach eine komplett andere Lebensweise als wir, eine ganz andere Kultur.“ Zumeist habe es sich dabei um Unterkünfte mit Afrikanern gehandelt. Afrikaner, die teilweise in hochwertigen Neubauwohnungen untergebracht seien. „In Kirchheim wurden in den letzten Jahren viele neue, teure Häuser gebaut, die sich die Menschen gar nicht mehr leisten können. Und jetzt bringen sie da Asylanten unter“, beschreibt der Feuerwehrmann eine Situation, die auf zunehmendes Unverständnis im Ort stoße.
Knapp hundert weitere Ukrainer sind derzeit auf Steuerzahler-Kosten im Hotel Dormero im Ortskern von Kirchheim untergebracht. Die Hotelgruppe war deutschlandweit bereits mehrfach mit der Unterbringung von Flüchtlingen als Geschäftsmodell in die Schlagzeilen geraten (JF 48/23). Ein Großteil von ihnen soll demnächst in die Container am Schlehenring umziehen. „Und dann kommen die nächsten ins Hotel“, ist sich der Feuerwehrmann bereits sicher.
Auch im Nachbardorf Grub sind die Folgen der Massenmigration sichtbar. „Manchmal stehen hier am S-Bahnhof bis zu hundert Afrikaner. Ich bleibe dann immer in meinem Wagen auf dem Park-and-Ride-Parkplatz sitzen und warte, bis die abgefahren sind“, schildert Jana der jungen freiheit, eine 26 Jahre alte Versicherungskauffrau aus dem Ort. Der Grund dafür: „Ich habe schon mehrfach dagestanden und wurde von den Migranten angemacht. Es ist sehr unangenehm, und die Stimmung unter ihnen habe ich oft als sehr aggressiv wahrgenommen.“
Die Afrikaner sind in einem nur wenige hundert Meter vom S-Bahnhof entfernten wei-teren Containerdorf untergebracht. Umgeben von einem Sichtschutzzaun und mit einem Wachdienst am Eingang zu den Unterkünften. Das Nachbargrundstück ist mit einem Bauzaun abgesperrt. Versehen mit einem Schild, das das Abladen von Müll auf dem Gelände untersagt. Trotzdem flattern dort die Reste zahlreicher Plastiktüten umher.
Sechzig Kilometer weiter südlich von Grub befindet sich die 3.000 Einwohner zählende Gemeinde Seeshaupt, ein idyllischer Ort am Starnberger See. Auf einem sechs Millionen Euro teuren Filetgrundstück direkt am Wasser sollte hier eine Asylunterkunft für hundert Migranten entstehen. Die Anwohner sind entsetzt, protestierten. Ende Oktober lud die Gemeinde zur turnusmäßigen Bürgerversammlung. Es geht unter anderem um Sachstandsberichte zu Dorffeiern und um die Vorstellung einer neuen Schulleiterin. Doch nicht deshalb muß diese Versammlung in der örtlichen Turnhalle stattfinden, nicht deshalb müssen Mitarbeiter der Gemeinde immer weitere Stuhlreihen für immer mehr Zuhörer aufbauen.
„Die Leute sind sauer, sie wollen Dampf ablassen wegen der geplanten Asyl-Unterkunft“, bringt es einer der rund hundert Zuhörer im Gespräch mit der JF auf den Punkt. Der volle Saal und die Proteste im Vorfeld hinterlassen Eindruck, der Bürgermeister des Ortes teilt plötzlich mit, daß die Ländrätin die Pläne auf Eis gelegt habe, die Unterkunft jetzt nicht mehr komme. Aufatmen im Saal. Doch auf Nachfrage eines Bürgers stellt sich heraus: Die Zusage sei bisher nur mündlich erfolgt. Argwöhnisches Grummeln im Saal. „Es soll schon vorgekommen sein, daß unsere Landrätin auch mal wieder was vergißt“, bemerkt ein älterer Bürger spitz. Die Zweifel und das Mißtrauen in die Migrationspolitik sind auch in Seeshaupt längst nicht verschwunden.
Fotos: Anwohner bei einer Bürgerversammlung in Seeshaupt: „Da darf man sich nicht wundern, wenn die Leute immer weniger Verständnis für diese Politik haben“
Wohncontainer für Migranten neben Reihenhäusern in Kirchheim: „Mache mir echt Sorgen“