© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/24 / 13. Dezember 2024

Das Lager als idealtypische (national-)sozialistische Lebensform
Erziehung zur Volksgemeinschaft

Die Lager auch im NS-Staat waren die ultimative Form der Herrschaftsausübung. Als gegenüber der Außenwelt hermetisches System dienten diese Orte des Terrors dazu, bestimmte Gruppen zu isolieren, zu bestrafen und zu vernichten. Lager bildeten während der NS-Diktatur aber auch eine „idealtypische Lebensform“ zur Einübung in die „Volksgemeinschaft“ (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 10/2024). In dieser von der Forschung bisher kaum beachteten konstruktiven Bedeutung stellte die Institution einen Raum dar, in dem der Nachwuchs der Funktionselite des Dritten Reiches ausgebildet wurde. Erziehungsziel in jenen militärisch organisierten Schulungslagern für angehende Ärzte, Richter und Hochschullehrer sei es gewesen, den „bürgerlichen Individualismus“ auszulöschen und zu lernen, sich in eine „Volksgemeinschaft der Arbeiter der Stirn und der Faust“ einzufügen, die Wolfgang Benz beiläufig mit der kommunistischen „klassenlosen Gesellschaft“ verbindet. Diese Assoziation hätte er leicht durch den Verweis aufs totalitäre Potential der Demokratie historisch vertiefen können, wie es der „Nationale Erziehungsplan“ (1793) des Jakobiners Michel Lepeletier barg. Demnach sollte die „Jugend der Revolution“ in streng abgeschirmten Internaten lernen, die eigene Identität auszulöschen, um vollständig im Allgemeinen aufzugehen. (wm)


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