© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/24 / 13. Dezember 2024

Die schwarze Bestie von Chixia
Kino II: Der Spielfilm „Black Dog – Weggefährten“ beleuchet die Schattenseiten der Reform- politik in China
Dietmar Mehrens

In China essen sie Hunde? Nicht im Film von Guan Hu, der in die drögen Gebiete am Rande der Wüste Gobi führt. Dort kehrt der wegen Totschlags fast zehn Jahre in Haft gewesene Lang Yonghui (Eddie Peng) in die Kleinstadt Chixia zurück. Alles ist, sieben Wochen vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking, im Umbruch: Ein Stadtentwicklungsprojekt hat ganze Stadtviertel in Abbruchgebiete verwandelt. Etliche Bewohner sind weggezogen und haben ihre Haustiere einfach zurückgelassen, weshalb ein riesiges Rudel verwilderter Hunde und ein aus dem Zoo entlaufener Wolf die Gegend unsicher machen.

Lang (übrigens das chinesische Wort für Wolf) braucht dringend Geld und nimmt eine Arbeit als Hundefänger an. Doch der schweigsame Ex-Sträfling, der Racheaktionen der Angehörigen seines Opfers abzuwehren hat, bringt es nicht übers Herz, den verfolgten Tieren Gewalt anzutun. Selbst der aggressive Kurzhaar-Windhund, der die Tollwut haben soll und Lang schon gebissen hat, tut ihm leid. Schon bald sind Lang und die schwarze Töle ein unzertrennliches Duo – über die Dreharbeiten hinaus: Eddie Peng adoptierte seinen tierischen Filmpartner. Zwei historische Termine rücken derweil näher: Neben der Eröffnung der Olympiade ist das eine totale Sonnenfinsternis, die in Chixia zu sehen sein wird. Auf einmal sind nicht nur die Hunde los, sondern auch ein aus dem von Langs schwerkrankem Vater notdürftig betreuten Zoo entlaufener Tiger … 

„Wir richten die Kamera auf Dinge, die in vielen Filmen übersehen werden, und konzentrieren uns auf seltene Individuen, denen es gelungen ist, ein Gefühl von Würde wieder aufzubauen“, beschreibt Guan Hu seine Regiearbeit. Sein elegischer Ausflug auf die Schattenseiten der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik ist ein wunderbar poetischer und trotz des ruhigen Erzähltempos (das zum ruhigen Protagonisten paßt) imposanter Film, der jeden begeistern wird, der sich für das Reich der Mitte interessiert. Bei den Filmfestspielen von Cannes gewann das panoramabildgesättigte Epos der leisen Töne den Preis in der Nebensparte „Un certain regard“. Sehr passend, denn es ist tatsächlich ein sehr spezieller Blick, den Guan auf seine Heimat China wirft.

Foto: Ex-Sträfling Lang Yonghui (Eddie Peng) und sein Hund: Unzertrennlich

Kinostart ist am 12. Dezember 2024