© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/24 / 13. Dezember 2024

Ein Virus macht Gender-Unterschiede
Kino: Eine Filmsatire dekliniert durch, was passiert, wenn Frauen dank einer Pandemie die politische Macht ergreifen
Dietmar Mehrens

Darauf hat das radikalfeministische Kollektiv lange warten müssen: Frauen an der Macht! Und genau wie es der gleichnamige Essay vor ein paar Monaten im Kulturteil dieser Zeitung (JF 42/24) voraussagte: Paradiesische Zustände brechen damit nicht an, ganz im Gegenteil. Das ist zumindest die Botschaft dieses von Noch-Kulturstaatsministerin Claudia Roth geförderten ZDF-Fernsehspiels nach dem Roman „Les Hommes protégés“ (1974), der allerdings in den USA spielt und nicht in Europa. Kurz vor Weihnachten wird der lila Mädchenwolkenblütentraum, ehe er ins Fernsehen kommt, erst mal den Kinozuschauern beschert.

In „Die geschützten Männer“ sind  Anita Martinelli (Britta Hammelstein) und Sarah Bedford (Mavie Hörbiger) sind demagogische Doppelspitze des Feministischen Ensembles für Minderheiten (FEM). Auf Parteitagen werden die Mitglieder mit „liebe Freundinnen“ angeredet. Martinelli und Bedford treten für einen totalen Systemwechsel, für mehr Ökologie, mehr Gleichstellung und mehr Nachhaltigkeit ein. „Feminismus muß laut und radikal sein“, lautet die Devise. Es fehlt also nur die Parole „Free Palestine“, um die Partei zu hundert Prozent verwechselbar zu machen mit real existierenden linksextremen Splittergruppen.

Die Kanzlerin favorisiert eine Zwangskastration der Männer

Zum Wahlkampfauftakt hat das FEM die Fünf-Prozent-Marke fest im Visier. Bei satten 45 Prozent liegt derweil die Partei des amtierenden Bundeskanzlers Darius Becker (Godehard Giese), der sich rühmt, das Thema „gender equality“ im Sinne von Merkels Staubsauger-Prinzip aufgesogen und zum Bestandteil der Regierungsagenda gemacht zu haben. Doch dann wirbelt – wir kennen das aus dem Jahr 2020 – ein Virus die etablierten Parameter durcheinander. Es befällt ausnahmslos Männer. Im Zustand höchster sexueller Erregung, oft verbunden mit #Metoo-Übergriffigkeit, bekommen sie wie Jack Nicholson in „Wolf – Das Tier im Manne“ (1994) einen tierischen Pelz und fallen kurz danach tot um. Letalitätsrate: 100 Prozent. Die „unheilige Allianz aus Macht und Testosteron“ scheint endgültig gebrochen, als vor laufenden Kameras selbst Kanzler Becker dem Virus zum Opfer fällt. Die Frauenpartei nutzt die Gunst der Stunde zur feministischen Machtergreifung: Der Notstand wird ausgerufen und Bedford zur Interims-Kanzlerin ernannt. Anita übernimmt das Innen-, ihre Parteifreundin Martha (Julika Jenkins) das Gesundheitsministerium. Alle „Cis-Männer“ in Regierungsämtern werden suspendiert – nur zu ihrem Schutz, versteht sich.

Anitas Mann Ralph (Yousef Sweid) ist Virologe. Er soll mit einem eigens zusammengestellten Pandemie-Kommando auf streng abgeschirmtem Gelände einen Impfstoff entwickeln. Kanzlerin Bedford ist daran indessen aber gar nicht mehr sonderlich interessiert. Sie regiert wie eine Sonnenkönigin und favorisiert das Therapiemodell der Ablation, einer Zwangskastration der männlichen Bevölkerung, die das Virus ebenfalls außer Gefecht setzt. Dank eines neuen Wirkstoffs soll die Ablation sogar bald schmerzfrei möglich sein. Es fehlt nur noch eine Notstandsverordnung, die alle Männer dazu verdonnert, die Substanz zu schlucken. Motto: lieber toxische Substanz als toxische Männlichkeit!

Die Vorlage des Franzosen Robert Merle (1908–2004) ist eigentlich ein sehr ernst gemeinter Science-fiction-Roman – heute würde man sagen: eine Dystopie – und damit ein fantastischer Filmstoff. Wie geschaffen für die Zeit nach den furchtbaren Covid-19-Willkürmaßnahmen. Irene von Alberti (Drehbuch und Regie) machte daraus eine billige Klamotte, die dem bezwingenden Grundgedanken, daß Frauen den Verlockungen der Macht genauso erliegen würden wie die von ihnen kritisierten „Patriarchen“, einen albernen Karnevalsbart anklebt. Künstlich und wie angeklebt wirkt auch das Ende, das den dystopischen Tenor des Stoffes in grünem Heile-Welt-Eiapopeia auflöst. Selbst dem Genre der Satire, für das von Alberti sich entschied, wird das nicht gerecht. Aber es dürfte die Fördergelder gesichert haben, ohne die der Film, dem man sein schmales Budget in jeder Einstellung anmerkt, nicht realisierbar gewesen wäre.

Kinostart ist am 12. Dezember 2024


Foto: Politikerinnen Anita Martinelli (Britta Hammelstein) und Sarah Bedford (Mavie Hörbiger): Einer rätselhaften Krankheit fallen nur Männer zum Opfer