Tino Chrupalla greift zu einem Bild aus dem Fußball, als er das wohl am schlechtesten gehütete Geheimnis seiner Partei lüftet. „Die AfD ist eine Fußballmannschaft mit einer Stürmerin“, sagt der Parteivorsitzende und meint damit – natürlich – Alice Weidel. Erstmals zieht die AfD mit einem eigenen Kanzlerkandidaten in den Wahlkampf.
Von einen „historischen Tag“ spricht Chrupalla am vergangenen Sonnabend. Er selbst sieht sich in der Rolle des Liberos – also eine Art Ausputzer vor dem Tor. Der Sachse überschüttet vor mehr als hundert Journalisten seine Co-Vorsitzende mit Lob und warmen Worten. Sowohl der Bundesvorstand als auch die zu diesem Anlaß in der Parteizentrale versammelten Landesvorsitzenden haben Weidel „einstimmig“ vorgeschlagen. Nun muß der AfD-Bundesparteitag Anfang Januar in Riesa noch abnicken. Dies gilt allerdings als sicher. Mit weit mehr als 90 Prozent rechnen einige.
Auch bei den Wählern kommt die 45jährige ziemlich gut an – dem Häuflein Gegendemonstranten vor der Geschäftsstelle zum Trotz. Laut einer aktuellen Insa-Umfrage wünschen sich 18 Prozent der Befragten Weidel im Kanzleramt. Das sind fast genauso viele, wie derzeit die AfD wählen wollen (19 Prozent). Sie liegt damit vor Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD), den 15 Prozent auch in den kommenden vier Jahren als Regierungschef sehen möchten. Über den Grünen Robert Habeck sagen das 14 Prozent. Friedrich Merz führt die Riege der Kanzlerkandidaten mit 21 Prozent in Sachen Beliebtheit an, liegt aber deutlich hinter den Werten seiner CDU/CSU zurück; die kommt bei Insa in der Sonntagsfrage derzeit auf 32 Prozent.
Und Weidel? Besagter Sonnabend ist einer dieser Termine, der ihr ganz offensichtlich Spaß macht. Breites Lächeln, große Worte. Ein „großer Tag für die Partei“ sei das – und auch für Deutschland. Dann legt die Parteichefin los, rattert nur so durch mit Themen, Forderungen und scharfer Kritik an den politischen Konkurrenten. „Deutschland ist in einer seiner schwersten Krisen“, sagt sie energisch und wird dann immer lauter. Das Land, das einst eine sichere und preiswerte Energieversorgung, eine starke Wirtschaft gehabt und im Frieden gelebt habe, sei geradezu „abgestürzt“. Mit der Automobilindustrie werde der deutschen Wirtschaft „das Rückgrat gebrochen“, die Energiewende mit „Flatterstrom“ tue dann den Rest. „Es wurde alles weggemacht, was funktioniert.“ Die soziale Marktwirtschaft sei „abgeschafft“ worden.
Zweites Kernthema: die Einwanderungspolitik. Deutsche sollten „nicht mehr Freiwild für eine marodierende Migrantengewalt“ sein. Millionen Migranten seien unkontrolliert ins Land geströmt, was sich nun auch in der Kriminalstatistik widerspiegele. Ausländern, die noch nie gearbeitet und Steuern gezahlt hätten, müßten alle Sozialleistungen gestrichen werden; Sachleistungen sollen es dann richten. Weidel redet sich in Rage: „Illegale, Vergewaltiger, Mörder werden wir sofort abschieben.“
Bleibt die Frage, warum die Partei nun eine Mannschaft mit „einem Stürmer“ sei, während man in der mächtigen Bundestagsfraktion weiter auf eine Doppelspitze setzt? Chrupalla, der seiner Co-Chefin sonst an diesem Tag das Feld überläßt, verweist darauf, daß, seit er und Weidel Parteichefs sind, die Umfragewerte gestiegen und Streit weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden seien. Man bilde ein eingespieltes Team, das den Erfolg bringen werde.