© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/24 / 13. Dezember 2024

Das war ein Satz mit X
Merz zu Milei und Musk: Der Kandidat der Union verprellt eigene Anhänger und liefert seinen Gegnern eine Steilvorlage
Peter Möller

Im politischen Berlin findet sich derzeit vermutlich niemand, der behaupten würde, daß der Wahlkampf für CDU-Chef Friedrich Merz bislang richtig gut läuft. Im Gegenteil. Die Reaktionen auf die bisherige „Performance“ schwanken zwischen Verwunderung bei den politischen Gegnern und Fassungslosigkeit bei den eigenen Parteigängern. Insbesondere der immer deutlicher werdende Annäherungskurs des Unions-Fraktions-Vorsitzenden an die Grünen stößt dabei manchem übel auf.

Vor allem ein Auftritt von Merz in der Sendung von Sandra Maischberger in der vergangenen Woche sorgte dabei nicht nur unter seinen Anhängern für heftige Diskussionen. Seine Äußerungen wurden von vielen als ein weiterer Schritt hin auf die Grünen und ihren Spitzenkandidaten Robert Habeck gedeutet. Merz hatte in der Sendung ausdrücklich die Möglichkeit für eine schwarz-grüne Bundesregierung nach der Bundestagswahl offengelassen und sogar nicht ausgeschlossen, daß der grüne Wirtschaftsminister Habeck im Amt bleiben könnte. Es gehe um „einen Politikwechsel, mit oder ohne Habeck“, sagte Merz und provozierte damit den scharfen Widerspruch von CSU-Chef Markus Söder.

In einem am nächsten Tag auf X veröffentlichten Video machte Söder Habeck für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich und schloß eine Koalition mit den Grünen kategorisch aus. „Mit der CSU gibt’s keine schwarz-grüne Koalition, keinen Robert Habeck mehr als Wirtschaftsminister“, ging Söder auf Gegenkurs zu Merz. Söder zufolge gehöre Habecks Partei „am besten bitte in die Opposition“. Während er die Kritik aus der bayerischen Schwesterpartei vermutlich mit eingepreist hatte, sollte Merz die Kritik aus den eigenen Reihen zu denken geben. So sprach sich etwa der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, gegen ein neues Ministeramt für Habeck aus. „Wir wollen ihn und seine Grünen in die Opposition schicken. Darüber herrscht Einigkeit in der Union“, sagte Spahn der Rheinischen Post. „Wenn wir es als Union mit Friedrich Merz als Kanzler zu entscheiden haben, wird Habecks Politik sicher nicht fortgeführt“. 

Und sogar der enge Merz-Vertraute und Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Thorsten Frei, übte vorsichtig Kritik. „Es ist unsere oberste Priorität, Deutschland wieder auf einen Wachstumskurs zu bringen. Wer uns unterstützen will, ist herzlich eingeladen, mitzuhelfen“, sagte er der Zeitung. Entscheidend sei dabei „die Bereitschaft und das Vermögen, die Fehler der alten Ampel unverzüglich zu korrigieren und unserem Land wieder Zuversicht zu vermitteln.“ Die Union stehe für einen klaren Kurswechsel „und eine echte Politikwende in der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Energie- und Migrationspolitik“.

„Hat mit unserer Demokratie nichts zu tun“

Doch nicht nur der milde Umgang mit Habeck, auch eine brüske Reaktion des CDU-Chefs bei Maisch-berger auf eine Aussage von Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) sorgte für Aufsehen. Dieser hatte am Sonntag zuvor in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ mit Blick auf den reformfreudigen argentinischen Präsidenten Javier Milei und den Trump-Berater und Unternehmer Elon Musk gesagt, Deutschland solle „mehr Milei und Musk wagen“. Gemeint war damit, wie er später verdeutlichte, „eine Prise Disruption“ für die Bundesrepublik. Die Reaktion von Merz fiel so deutlich wie überraschend aus: „Ich bin ehrlich gesagt völlig entsetzt gewesen, daß Christian Lindner diesen Vergleich gemacht hat“, sagte er bei Maischberger. Mileis Politik würde den Staat ruinieren und die Menschen mit Füßen treten. Beobachter verblüffte nicht nur die harsche Reaktion von Merz auf Lindner, sondern auch, daß er sich die insbesondere in linken Kreisen verbreitete Kritik an Milei ohne Not zu eigen gemacht hat. Vor allem in den sozialen Medien gingen die Wogen hoch – bis hin zu Ankündigungen, aus der CDU auszutreten.

Zu denken geben müßte Merz, daß er ausgerechnet von der dem linken FDP-Flügel angehörenden früheren Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Unterstützung erhalten hat. „Milei will den Staat zerstören, er ist frauenfeindlich und hat mit liberaler Demokratie nichts am Hut“, sagte sie dem Spiegel. Musk wiederum verfolge radikal eigene Geschäftsinteressen: „Der hat mit unserer Demokratie nichts zu tun. Da stört ihn natürlich die Kontrolle durch staatliche Behörden.“

Und auch Christian Lindner hat auf die Kritik von Merz reagiert. In einem Video auf X sagte Lindner, er wolle sich weder jede Meinung von Milei und Musk abschauen noch deren Stil übernehmen. „Aber der eine ist der erfolgreichste Unternehmer der Gegenwart und Beauftragter für den Bürokratieabbau in den USA. Und der andere hat den Mut zu ganz grundlegenden Reformen, sein heruntergewirtschaftetes Land wieder auf Kurs zu bringen“, rechtfertigte sich der FDP-Chef. „Das sollte nicht zu Entsetzen führen, sondern zu Neugier. Denn vielleicht kann man sich von denen bei uns ja was abschauen – wenn man wirklich was verändern will.“ Vor allem der letzte Halbsatz dürfte so manchem Unions-Anhänger mit Blick auf die derzeitigen Positionen ihres Spitzenkandidaten aus dem Herzen gesprochen haben.  Beitrag Seite 1