Abschiebungen sind im rot-grün-rot regierten Bremen eher die Ausnahme. Mit lediglich einem Prozent belegt der Stadtstaat bei Rückführungen bundesweit den letzten Platz unter sämtlichen Bundesländern. Um so bemerkenswerter, daß nun sogar einer der seltenen Fälle, in denen ein abgelehnter Asylbewerber außer Landes gebracht werden sollte, gescheitert ist – und prompt für ein kleines politisches Nachbeben sorgt.
Vergangene Woche war die Polizei ausgerückt, um einen Somalier, dem das evangelische Gemeindezentrum Zion Kirchenasyl in der Wesermetropole gewährte, festzunehmen. Gemäß dem Dublin-Verfahren, das die Zuständigkeiten bei Asylverfahren innerhalb der EU-Staaten regelt, sollte der 25jährige wieder zurück nach Finnland überstellt werden. Denn dort war er erstmals in die Union eingereist. Über Rußland, das im Zuge der aktuellen Spannungen gezielt und ungehindert Migranten gen Westen schleust.
Nach Angaben der Bremer Innenbehörde hatten sich am betreffenden Abend dann rund hundert Personen – Gemeindemitglieder sowie eilig vom sogenannten Flüchtlingsrat mobilisierte Protestler – versammelt und den Zugang zur Zionskirche blockiert. Dazu gehörten mehrere Vermummte genauso wie der Pfarrer der Gemeinde. Der nannte im NDR den Versuch der Beamten, „das Asyl zu brechen“, empört einen „Tabubruch“.
Sauer war auch Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) – allerdings auf die Kirchenleute und die Blockierer: „Mit der Aktion wird gegen eine gültige Vereinbarung verstoßen“, schimpfte der Sozialdemokrat, der in jüngster Zeit verbal den innenpolitischen Hardliner gab. Mäurer betonte, die Glaubensgemeinschaften dürften einer Vereinbarung zufolge nur in besonderen Härtefällen Kirchenasyl gewähren. Es sei demnach für Personen zu beenden, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kein Bleiberecht zugesteht. Andernfalls „stellt die Kirche unseren Rechtsstaat grundsätzlich in Frage“. Seine Behörde habe im konkreten Fall keinen Spielraum gehabt, da das Bamf die Abschiebung beantragt habe. Dennoch ertönten aus den Reihen der Koalitionspartner von Grünen und Dunkelroten erste Rufe nach dem Rücktritt des Innensenators. Ebenso kritisch äußerte sich der Leitende Geistliche der Evangelischen Kirche in Bremen, Bernd Kuschnerus. Er mutmaßte, Mäurer würde politisch unter Druck stehen. Die Kirche aber sei verpflichtet, „die einzelnen Menschen im Blick zu haben“.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) plädierte für einen Dialog mit den Kirchen beim Kirchenasyl. Die Bürger hätten einen Anspruch darauf, daß geltendes Recht durchgesetzt werde. „Auf der anderen Seite kann ich den humanitären Ansatz der Kirchen auch verstehen“, meinte die SPD-Politikerin am Rande der Innenministerkonferenz. Bremen liegt mit 202 Kirchenasyl-Fällen 2024 über dem bundesweiten Schnitt.
Der eigentlich ausreisepflichtige Somalier indes kann das Asyl bei den Protestanten verlassen. Allerdings nicht Richtung Polizeiwache oder Finnland. Das Verwaltungsgericht habe, berichtet der Flüchtlingsrat, eine Abschiebung vorerst verboten.