© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/24 / 13. Dezember 2024

„Nein, ihr seid die Kriminellen!“
Urteil: Zwei Klimaradikale müssen ins Gefängnis. Wie sich dann zeigt, ist die Haftstrafe alternativlos

Vorerst hat es sich ausgesummt. Geht es nach dem Urteil des Amtsgerichts Niebüll, dann müssen die 24jährige Lilli Gomez und die 22jährige Regina Stephan, zwei sogenannte „Wildbienen“ und führende Mitglieder der Klima-Endzeit-Sekte „Letzte Generation“ (LG), ins Gefängnis. Richterin Larissa Herzog verurteilte die beiden am Freitag vergangener Woche wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs zu Haftstrafen. Lilli Gomez soll für sieben Monate hinter Gitter, Regina Stephan brummte das Gericht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf. Noch ist das Urteil jedoch nicht rechtskräftig. Die beiden Angeklagten können in Berufung gehen.

„Wildbienen“ nennen Anhänger der Letzten Generation jene aus ihren Reihen, die Straftaten und Sabotage-Aktionen begehen (JF 39/23). Gomez und Stephan haben eine Fülle davon begangen, zahlreiche weitere Prozesse gegen sie stehen noch aus. Im Sommer vorigen Jahres hatten die beiden auf der Ferieninsel Sylt einen Maschendrahtzaun zum Gelände des Flughafens in Westerland zerschnitten, einen Privatjet mit oranger Farbe besprüht und sich mit Transparenten an das Flugzeug geklebt. Die Farbe war dabei auch in das Triebwerk der Maschine geflossen, wodurch ein Schaden von fast einer Million Euro entstand.

„Ihr habt uns im Stich gelassen, ihr macht weiter“ 

Aus Platzgründen tagt das Niebüller Gericht im holsteinischen Itzehoe. Knapp 50 Unterstützer aus dem Umfeld der Letzten Generation sind zur Urteilsverkündung gekommen. Einer von ihnen stellt sich vor den Gerichtseingang mit Warnweste und Pappschild: „Reisen im Privatjet ist rücksichtslos und asozial“, steht darauf. 

„Mir bleibt nichts anderes übrig, als Haftstrafen gegen Sie zu verhängen“, sagt die junge Richterin Larissa Herzog in ihrer Urteilsbegründung mit brüchiger Stimme und blickt dabei in Richtung der Angeklagten. Es klingt fast wie eine Entschuldigung. Weil beide im Gerichtssaal ankündigen, weitere Straftaten begehen zu wollen, bleibt rechtlich kein Ermessensspielraum, die Wildbienen müssen brummen. Ihre beiden Mitangeklagten Michael W. – 62 Jahre alt – und Simon-Felix B. – 44 Jahre alt – kommen hingegen mit Geldstrafen davon. Ebenfalls mit angeklagt ist Jonas G. Der 29jährige hatte die Sabotage-Aktion als Journalist begleitet. Weil er das Flughafengelände dabei jedoch nicht betreten hatte, wurde er freigesprochen.

Ihr letztes Wort vor dem Urteil nutzen die beiden Wildbienen als Bühne für ihre politische Botschaft. Und so folgen theatralische Appelle: „Wenn die Klimakatastrophe unsere Zivilisation zerstört, wird auch unser Rechtsstaat zerstört“, ruft Lilli Gomez mit schluchzender Stimme. Ein Rechtsstaat, den die Studentin mit bisher bundesweit mehr als 50 Farbanschlägen regelmäßig unterläuft. Sie war an den Attacken auf das Brandenburger Tor und das Kanzleramt beteiligt, darüber hinaus mit Anschlägen in Hamburg, Hannover, München und am Flughafen Köln-Bonn aktiv. „Ihr habt uns im Stich gelassen, ihr laßt uns im Stich. Ihr macht weiter, bis wir nichts mehr zu essen und zu trinken haben und warum? Damit ihr noch einmal schön in Urlaub fahren, noch einmal nach Malle fahren könnt oder nach Sylt wie der Eigentümer des Flugzeugs“, klagt sie die gesamte Gesellschaft an. „Ihr nennt uns Klima-Extremisten und Kriminelle. Nein, ihr seid die Kriminellen, ihr habt es verkackt“, geht es schluchzend weiter. Sie wolle doch nur den „Schutz unserer Lebensgrundlagen“, für die „jede Sekunde“ zähle. Ihre Anhänger im Publikum applaudieren – was vor Gericht untersagt ist. 

„Natürlich muß zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, daß es um den Klimaschutz geht“, begründet die Richterin dann ihr verhängtes Strafmaß. Für das Gericht stehe zudem „außer Frage“, daß das Klima bedroht sei. „Es ist toll, daß Sie sich für das Klima einsetzen“, lobt Herzog die Angeklagten. Aber: „Sie dürfen dafür keine Straftaten begehen, Ihr Vorhaben läuft auf eine Legalisierung von Straftaten hinaus.“

Als Verteidiger im Prozeß wirkt unter anderem David Hölscher mit, der sich für zahlreiche Vertreter der Letzen Generation als Anwalt engagiert und in Itzehoe Michael W. vertritt. Hölscher gehört der linksextremen Roten Hilfe an, ist zudem Mitglied im einflußreichen Republikanischen Anwälte- und Anwältinnenverein, der wie die Rote Hilfe stets dann auf den Plan tritt, wenn linksradikale Gewalttäter vor Gericht stehen. Der Jurist vertritt auch die Wildbiene Judith Beadle. Die 44 Jahre alte Mutter von zwei Töchtern hat ihren Job als Kommunikations-Designerin aufgegeben, um hauptberuflich als Klimakleberin zu agieren. Am 22. April 2023 war sie an den Farbschmierereien an Geschäften auf dem Kurfürstendamm in Berlin beteiligt, durch die ein Schaden von 68.000 Euro entstanden war. Auch beim Farbanschlag auf das Sylter Hotel Miramar war sie dabei, zudem klebte sie sich im Juli dieses Jahres auf dem Flughafen Frankfurt fest, legte dadurch zeitweise den Flugbetrieb lahm. 

Eine der Verurteilten macht unverdrossen weiter

Einen Monat zuvor hatte sie sich auf der Rollbahn des Flughafens München festgeklebt. Beadle befand sich wegen ihrer Straftaten bereits mehrfach in Haft. Zunächst in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim, zum Jahreswechsel 2022/2023 für weitere sieben Wochen erneut in Bayern. Zusammen mit Miriam Meyer, die im Juli dieses Jahres vom Amtsgericht Tiergarten erneut zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt wurde. 

Die 32jährige fungiert als Ausbilderin der Wildbienen, gilt daher innerhalb der Letzten Generation als „Oberwildbiene“. Die aus dem schleswig-holsteinischen Örtchen Nehms im Landkreis Segeberg stammende hauptberufliche Klimaaktivistin hatte ihr Studium des tibetanischen Buddhismus zugunsten der Letzten Generation aufgegeben, war ebenfalls an zahlreichen Straftaten der Gruppe beteiligt. 

Als Vollzeit-Aktivistin ist auch Mirjam Herrmann unterwegs. Die 26jährige gehört zu jenen innerhalb der LG, die im Mai dieses Jahres von der Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt wurden. Vor ihrer Zeit in der Klimasekte hatte sie Rechtswissenschaften in Passau und London studiert, arbeitete zudem bereits als Rechtsberaterin. Unter anderem hatte sie Kartoffelbrei auf ein Monet-Gemälde im Potsdamer Barberini-Museum geworfen. Während der Automobilausstellung in München 2022 hatte sie für ein Verkehrschaos gesorgt, als sie sich von einer Autobahnbrücke abseilte. Worauf die Polizei sie in Untersuchungshaft steckte. Herrmann muß sich zudem wegen Nötigung in 1.296 Fällen verantworten. Ihr drohen bis zu vier Jahre Haft.

Andere einst führende LG-Vertreter sind hingegen aus der radikalen Gruppe mittlerweile ausgestiegen. Wie etwa die 25 Jahre alte Mitgründerin Lea Bonasera, die die Bewegung bereits vor einem Jahr verlassen hatte, sich aber über die Gründe dafür bisher ausschweigt.

Im Juni dieses Jahres war auch Penelope alias Patrick Frank bei den Klimaklebern ausgestiegen. Der 32 Jahre alte zur Frau Umgewandelte aus Heidelberg kam im Alter von 13 Jahren ins Heim, engagierte sich später in der SPD. Seit 2020 ist sie im Sex-Gewerbe unterwegs, verkauft Erotik-Videos und getragene Unterwäsche. Seit sie der LG den Rücken gekehrt hat, setzt sie sich nun für „Queermany“ ein, eine den eigenen Angaben zufolge diversitätsfreundliche Klimagerechtigkeitsbewegung mit einem Schwerpunkt auf „bewegungsübergreifende Protestarbeit“.

Unterdessen lieferten die in der Letzten Generation verbliebenen Radikalen umgehend den Beweis dafür, daß Richterin Herzog vergangene Woche beim Abschluß des Prozesses kaum Ermessensspielraum hatte. Am Dienstag störten Anhänger der Gruppierung gemeinsam mit solchen von Greenpeace, Fridays for Future, „Ende Gelände“ und „Extinction Rebellion“ in Berlin eine Wirtschaftskonferenz zum Thema Flüssiggas. Dabei verschütteten sie unter anderem grüne Farbe an einem Nebeneingang des Luxushotels Adlon, unweit des Brandenburger Tors. Zuvor hatten sie versucht, die Zugänge zum Tagungsort des „World LNG Summit“ zu versperren. Polizeiangaben zufolge wurden mehr als 120 der teilweise gewalttätigen Demonstranten vorübergehend festgenommen. 

Unter denen, die sich an der Blockade des Adlon beteiligten, befand sich auch eine, die demnächst woanders sitzen muß: die in Izehoe zu sieben Monaten Haft ohne Bewährung verurteilte Lilli Gomez.