Ist eine Weidenrute stark verbogen, muß man sie erst einmal in die andere Richtung überspannen, um sie wieder gerade zu bekommen. Dieses Gleichnis wird Adam Smith zugeschrieben, dem Urvater des ökonomischen Liberalismus. Es paßt auch auf die aktuelle wirtschaftspolitische Lage hierzulande. Denn diese ist nach nur drei Jahren Ampelregierung derart desaströs, daß es mit kleineren Korrekturen nicht mehr getan ist.
Das wollte wohl auch Christian Lindner ausdrücken mit seiner Bemerkung, wir sollten „ein bißchen mehr Milei und Musk wagen“. Sofort ging ein Aufschrei durch die deutsche Medienlandschaft, vom Spiegel bis zur FAZ. Ein paar Reformen seien zwar sicher nötig, aber das seien ja wohl die falschen Vorbilder. Wir sollten besser mit der Gartenschere als mit der Kettensäge zu Werke gehen, so ließ sich etwa Stefan Kolev vernehmen, Ökonom und Leiter des Ludwig-Erhard-Forums in Berlin.
Friedrich Merz zeigte sich „völlig entsetzt“ über Lindners Empfehlung. Was Präsident Javier Milei in Argentinien mache, ruiniere das Land und trete „die Menschen mit Füßen“, sagte er in der Talkshow Maischberger. Ähnliche Äußerungen kamen auch aus der FDP, etwa von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Milei zudem noch Frauenfeindlichkeit vorwarf.
Aber es gibt zunehmend auch andere Stimmen. So befand sogar die Süddeutsche Zeitung, Lindner habe doch durchaus recht. Auch die Welt und das Handelsblatt schreiben, daß wir uns Arroganz gegenüber mutigen Reformern wie Milei und Musk nicht mehr länger leisten können. Sollte Merz, der bisher noch vor jedem drohenden Shitstorm ängstlich zurückzuckte, hier etwas verpaßt haben?
Beginnt der Zeitgeist sich allmählich auch in den führenden Medien zu wandeln? Von der Sache her wäre das dringend geboten. Denn Deutschland gleicht inzwischen einem abgehalfterten Altstar, der nur noch mit seinem restlichen Geld um sich wirft und alle Welt nervt mit Arroganz und Besserwisserei.
Dagegen haben Leute wie Milei und Musk echte Erfolge vorzuweisen. Allein schon das entschlossene Eintreten für Meinungsfreiheit und gegen die woke Zensur unterscheidet Milei von den meisten Kollegen in den Chefetagen. Und was er in nur einem Jahr in Argentinien bewegt hat, ist geradezu sensationell angesichts des verheerenden Erbes aus der Zeit der Peronisten. Die galoppierende Inflation von fast 300 Prozent im Jahresvergleich ist zwar noch lange nicht gezähmt, konnte aber immerhin im Trend deutlich gesenkt werden. Zugleich ist der Staatshaushalt, wenn man die Zinsen für die Altschulden herausrechnet, inzwischen wieder im Gleichgewicht. Das wurde vor allem durch Stellenabbau im öffentlichen Dienst und eine radikale Senkung der Staatsausgaben um inflationsbereinigt ein Drittel erreicht.
Natürlich ist eine solche Radikalkur nicht ohne gravierende Nebenwirkungen zu haben. Die Arbeitslosenzahl stieg, die Konsumausgaben sanken, und die Armutsquote hat zugenommen. Aber wenn Milei seinen Kurs durchhält, sind das vorübergehende Effekte, die sich wieder zum Besseren wenden werden.
Genauso war es in Deutschland nach Ludwig Erhards Währungsreform im Juni 1948. Zuerst wurde alles teurer, und das Leben schien unbezahlbar für die kleinen Leute zu werden, weswegen die Gewerkschaften sogar zum Generalstreik aufriefen. Aber das bald darauf einsetzende Wirtschaftswunder strafte schließlich alle Kritiker Lügen. Die damalige Situation ist zwar nicht direkt vergleichbar mit der Argentiniens. Trotzdem tun wir gut daran, uns an unsere eigene Geschichte zu erinnern, bevor wir vorschnell den Stab über Mileis mutiges Vorgehen brechen.
Auch politisch kann man einiges von ihm lernen. Denn erstaunlicherweise scheint das Volk weitgehend hinter ihm zu stehen, trotz der massiven Einschnitte, die es zu ertragen hat. Er ist eben kein Zauderer wie Merz und kommt auch nicht als unglaubwürdiger Yuppie rüber wie Christian Lindner.
Milei fährt nicht Porsche, sondern fliegt Linie, und er ist vor allem wirklich begeistert von der eigenen Sache. Das wirkt ansteckend, und darum folgen ihm auch Menschen, denen libertäres Gedankengut eigentlich völlig fremd ist. Zugleich scheint er durchaus pragmatisch vorzugehen und wirkt nicht kalt oder glatt, sondern witzig und sympathisch. So jemand fehlt in Deutschland, auch in der AfD, in der es im übrigen keineswegs nur überzeugte Anhänger der Marktwirtschaft gibt. Dabei könnte der Zeitpunkt für eine konservativ-liberale Gegenrevolution kaum günstiger sein als jetzt.
Denn wohin man auch hört, die Leute haben den ganzen links-grünen Schwachsinn satt. Verbrenner-Verbot, Heizungsgesetz, Wahnsinns-preise für Energie und Lebensmittel, Gendersprache, freie Geschlechterwahl und willkürliche Hausdurchsuchungen – es ist ein einziger Albtraum. Ökonomisch ist die Lage ohnehin katastrophal. Wir sind inzwischen dauerhaftes Schlußlicht beim Wirtschaftswachstum, dafür Weltmeister in Bürokratie und Deindustrialisierung.
Mit der Gartenschere ist es da nicht mehr getan, Mileis Kettensäge hilft allerdings auch nicht viel. Vielmehr muß man an die Wurzel des Übels gehen. Das sind die in Deutschland spätestens seit Merkel grassierenden Denkstörungen Sozialdemokrateritis und Grüner Wucher: Niemandem soll weh getan werden, jede noch so winzige Gefahr oder Ungleichheit ist zu vermeiden, und für den Schutz irgendwelcher seltenen Kröten oder Fledermäuse werden ganze Industrien geopfert. Wer sich so verhält, vernichtet jede wirtschaftliche Dynamik und beschwört zwangsläufig immer mehr Verbote, Vorschriften und Bürokratie herauf. Am Ende steht die komplette Zerstörung von Freiheit und Wohlstand, damit aber auch der Basis für jede Art von Umwelt- und Sozialpolitik.
Adam Smiths 1776 erschienenes Buch „Der Wohlstand der Nationen“ löste damals eine Welle des Liberalismus aus. Das ökonomische Zwangssystem des Merkantilismus wurde hinweggefegt. Heute brauchen wir tatsächlich Politiker wie Milei mit Mut, Charisma und politischem Geschick, um den modernen Absolutisten das Handwerk zu legen.