© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/24 / 06. Dezember 2024

Umwelt
Ruhe bitte!
Ludger Bisping

Lärm nervt – aber nicht jeder und jeden. Das laute Geschrei von Wildgänsen oder Kranichen stört viele  weit weniger als Auto- oder Fluglärm. Obwohl die gesundheitlichen Folgen von Krach gut erforscht sind, weiß man wenig über die Wirkung auf die Natur. Geographen der Uni Köln haben im Großraum Köln-Bonn-Düsseldorf Lärmlandkarten („Soundscapes“) angelegt und die Belastung untersucht. Durch Renaturierung sind dort vermehrt naturnahe Erholungsgebiete entstanden. Diese befinden sich aber auch in Ballungsräumen und der Nähe großer Verkehrsadern. Zudem entsteht durch Anreise oder Besucherströme neuer Lärm. Wie wirkt sich dieser auf Mensch und Fauna aus? Es ist zu berücksichtigen, daß „biophoner Lärm“ wie Froschquaken oder Vogelgesang tages- und jahreszeitlich (durch Paarungszeiten) variiert. Ebenso die „geophone“ Geräuschkulisse durch Wind oder Belaubung.

Zur umstrittenen (Infra-)Schallbelästigung durch Windräder wird kein kritisches Wort verloren.

Das niederfrequente Rauschen menschlichen Verkehrs beeinträchtigt die Kommunikation vieler Singvögel, die gegen den Lärm anschreien müssen, um Gehör von Artgenossen zu finden. Als Folge von Besucherscharen versetzt Hundegebell als Alarmsignal Vögel und Wildtiere in Streß. Als „technisch“ wahrgenommener Lärm wird von den Befragten der Untersuchung als deutlich störender empfunden als natürliche Geräuschquellen. Problematisch sind Lärmkulissen, die natürliche Geräusche dauerhaft übertönen („Maskierungseffekt“), sowie besonders intensive Lärmspitzen (Flugzeuge, stark beschleunigende Motorräder). Als Fazit wünschen sich die Kölner Forscher, daß die „Soundscape“-Ökologie Teil des Naturschutzes wird. In den USA wird Stille oder die Abwesenheit menschlichen Lärms als ökologische Ressource betrachtet. Das wird im dicht besiedelten Mitteleuropa kaum umsetzbar sein, aber vielleicht zu mehr Lärmsensibilität führen. Allerdings verlieren die woken Wissenschaftler zur (Infra-)Schallbelästigung durch Windräder kein kritisches Wort.