Laut den Auguren des Kontrafunks gleicht der aktuelle politische Betrieb Inszenierungen von Nestroy, Shakespeare, Molière und Kafka. Ich denke eher an Hollywood. So hätte der Kinderbuchautor auf Abwegen vorab ein Drehbuch schreiben sollen: „Liebling, ich habe die Wirtschaft geschrumpft!“ Nun ja: „Hätte, hätte / Lieferkette.“ Jedenfalls unterstützt ihn der DIW-Präsident, dem zufolge es für eine Wirtschaft auch mal gesund sein könne, zu schrumpfen. Das erinnert mich an die säkularisierte Auferstehungskirche in Berlin-Friedrichshain, wo vor über einem Jahrzehnt das Denkwerk Zukunft von Meinhard Miegel das Heil des Nullwachstums predigte. Mit anderen Worten: den letztlichen Tod der Volkswirtschaft. Unheimlich ist noch heute die Erinnerung an diese entseelte Kirche, auserkoren für die künftige Heimstatt des Neuen Menschen. Wie darauf noch reagieren? Schließlich wünsche ich dem Denunziationsdepot „so done“ alles andere als „Fun“. Auch der „Batman“-Film im Fernsehen wirkt hier als Warnung, als eine sinistre Stimme unheilvoll verkündet: „Furcht ist ein Werkzeug.“ Oder anders: „Gotham City / It’s a pity.“ Vor diesem Hintergrund kann ich es nicht mehr verantworten, die Verlautbarungen von Marcel Quatscher zu thematisieren oder die Ankündigung des Küchentischmärchenerzählers, der Kanzler werden will – davon distanziere ich mich, bis ich neben mir stehe. Prophetisch die Worte des befreundeten Gastronomen im Café des Westsektors, der schon vor Jahren, aus dem „Völkergefängnis“ Jugoslawien stammend, ganz abgeklärt reagierte: „Ja und? Ich komme doch aus einer Diktatur, warum sollte das denn jetzt für mich ein Problem sein?“ Erheiternd wenigstens der Kommentar des Therapeuten beim jüngsten Besuch: „Ich würde Scholz anrufen, und mich entschuldigen – ich habe mich verwählt.“
In der DDR wußte jeder, was passiert, würde in der Wüste von heute auf morgen der Sozialismus eingeführt.
Enttäuschend verläuft die Lektüre des NZZ-Interviews mit dem Schriftsteller Eugen Ruge, der nicht nur einen einstigen Friedensengel Putin halluziniert, sondern auch implizit die kommunistische Heilslehre verteidigt, wenn er sich entblödet: „Der Kapitalismus frißt die Welt noch schneller auf als der Sozialismus.“ Dabei wußte in der DDR doch jeder, was passiert, würde in der Wüste von heute auf morgen der Sozialismus eingeführt – tagelang gar nichts, und dann ist der Sand weg. Entsprechend hadert Ruge mit dem BSW, da hier „Klima, Wirtschaft und Ressourcen“ nicht zusammengedacht würden. Dabei ist die Wirtschaft in Wirklichkeit doch schon weiter: Was einst der Parteisekretär ist heute der Klimakommissar und ESG-Beauftragte. Ausflucht verspricht jetzt nur noch der gerade erschienene Band von Jürgen K. Hultenreich – eine Schatzinsel.
Jürgen K. Hultenreich: Mit einer Sense rudert jemand leise. Gedichte aus 45 Jahren. Vorwort von Uwe Kolbe. PalmArtPress, Berlin 2024, gebunden, 200 Seiten, 25 Euro