© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/24 / 06. Dezember 2024

Die Inflation holt auch den Rubel ein
Geldpolitik: Die russische Währung ist tief gefallen / Sind erfolgreiche westliche Sanktionen der Hauptgrund dafür?
Thomas Kirchner

Lange schienen sowohl der Rubel als auch Rußlands Wirtschaft immun zu sein gegen die üblichen Schwächen einer Kriegswirtschaft. Doch jetzt stürzte der Rubel ab, die Zentralbank erhöhte die Zinsen auf 21 Prozent. Wendet sich das Blatt? Der Kursverfall des Rubels um zeitweise 25 Prozent seit Ende September wurde durch das neueste US-Sanktionspaket nicht ausgelöst, aber beschleunigt. 50 Banken, darunter die Gazprombank, fallen seit 21. November unter neue US-Sanktionen. Bisher waren diese Institute nicht sanktioniert, weil die verbliebenen russischen Gasexporte nach Osteuropa über sie bezahlt wurden. Bis zum 20. Dezember läuft eine Übergangsfrist. Ausgenommen bis zum 28. Juni sind Zahlungen für Gaslieferungen nach Japan, dessen Regierung sich vehement gegen Sanktionen stemmt.

Keines der bisher 14 Sanktionspakete hatte die erhofften Auswirkungen auf Rußlands Wirtschaft, und so sollte man das neueste nicht überschätzen, zumal es zum Zeitpunkt ohnehin schon wackeliger Devisenmärkte kommt. Zur Einschätzung zählt deshalb nicht, ob der Außenwert des Rubel gesunken ist, sondern wie stark im Vergleich zu anderen Währungen angesichts des trüben Umfelds.

Seit Beginn des Ukrainekriegs ein Viertel an Kaufkraft verloren

Seit Ende September hat der Dollar gegenüber fast allen Währungen zugelegt. Der Euro sank um bis zu sechs Prozent auf 1,0418, den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Schon wird wieder Parität als Kursziel für 2025 ausgerufen, was einem weiteren Wertverlust des Euros von etwa fünf Prozent entspräche. Der Yen hat seinen Überraschungsanstieg vom August weitgehend wettgemacht. Nach 161 Yen pro Dollar im Juli auf 140 Yen im September liegt er aktuell bei 150. Turbulenzen kleinerer Währungen sind erfahrungsgemäß stärker ausgeprägt als die der großen Industrienationen. Der ungarische Forint hat seit Ende September etwa zehn Prozent verloren, der polnische Złoty sechs bis acht. Außerhalb Europas sind die Schwankungen im südafrikanischen Rand, im südkoreanischen Won oder mexikanischen Peso vergleichbar: Nur Brasiliens Real verlor mit zehn Prozent etwas mehr, was an Präsident Lulas Ausgabenpolitik liegt.

Auch der Rubel begann seinen Abstieg Ende September, als er mit einem Kurs von 90 zum Dollar ungefähr auf Vorkriegsniveau lag. Bis zur Ankündigung der neuen Sanktionen fiel er auf 96, was vergleichbar mit der Schwäche anderer Devisen ist. Doch nach Bekanntgabe des Sanktionspakets beschleunigte sich der Abstieg. Kurzzeitig erreichte er ein Niveau von 114 zum Dollar, dem niedrigsten Stand seit der Handel nach kurzer Unterbrechung infolge der Invasion wieder aufgenommen worden war. Während der Aussetzung des Handels im März 2022 sollen im Schwarzmarkt bis zu 150 Rubel pro Dollar gezahlt worden sein. Inzwischen hat sich der Kurs auf 106 erholt, auch durch Stützungskäufe der Zentralbank. Auch deren Zinserhöhung auf 21 Prozent von 16, die seit der zweiten Hälfte dieses Jahres galten, leistete einen Beitrag. Nach der Invasion hatte sie die Zinsen zunächst auf 20 Prozent hochgesetzt, konnte sie jedoch schon im Spätsommer 2022 auf nur 7,5 Prozent senken, ein für das Land eher niedriges Niveau. Erst seit Mitte 2023 steigen die Zinsen wieder.

Trotz der Zinssteigerungen durch die Zentralbank, die aber Kredite stark verteuern, blieb die Rubel-Inflation hoch, auch im Vergleich zu anderen Schwellenländern. Seit Beginn des Ukrainekriegs verlor der Rubel mindestens ein Viertel an Kaufkraft. Nur im Frühjahr/Sommer lag die monatliche Inflationsrate unter sechs Prozent, inzwischen schießt die monatliche Geldentwertung im Vergleich zum Vorjahreswert wieder Richtung zehn Prozent. Brasiliens Real verlor seit 2022 „nur“ 13 Prozent, die indische Rupie 18, der südafrikanische Rand 15. Bedenklich stimmt, daß der Euro mit 13 Prozent Kaufkraftverlust nicht viel besser dasteht als diese Entwicklungsländer, der Dollar mit elf nur marginal besser. Der Rubel hat deutlich schlechter abgeschnitten. Das aber als Erfolg der Sanktionen darzustellen wäre voreilig. Denn Rußland hat eine Kriegswirtschaft, woran die westlichen Sanktionen nicht viel ändern. Es überrascht eher, daß die Kriegswirtschaft angesichts der Sanktionen nicht deutlich schlechter abschneidet. Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Kursrutsch des Rubel die Wende zum wirtschaftlichen Absturz einleitet oder nur eine kurzfristige Turbulenz bleibt.