Das Wahlrecht der Bundesrepublik zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Die Abwahl von Politikern ist so gut wie unmöglich, es sei denn, deren Partei scheitert an der Fünfprozenthürde. Die Absicherung über die Landeslisten garantiert Kontinuität, es sei denn, die Parlamentarier ziehen sich freiwillig zurück.
Bei der geplanten Bundestagswahl am 23. Februar 2025 wollen nach bisherigen Veröffentlichungen 110 der 738 Abgeordneten nicht mehr antreten. Ausscheiden werden wegen der Veränderungen bei den Fraktionsstärken durch das Wahlergebnis allerdings noch mehr. Außerdem wird der Bundestag auf 630 Abgeordnete verkleinert. Bei der SPD ist damit zu rechnen, daß sie bei Umfragewerten von nur 15 Prozent von derzeit 207 auf rund 100 Abgeordnete schrumpfen könnte. Ihren Verzicht erklärt haben bisher 26 Abgeordnete, darunter die altgedienten Sozialdemokraten Axel Schäfer und Bernd Westphal sowie aus der jungen Generation Kevin Kühnert aus Gesundheitsgründen.
Die Union sieht dem Verlust bayerischer Urgesteine entgegen: Die früheren Bundesminister Hans-Peter Friedrich und Peter Ramsauer hören ebenso auf wie der langjährige Parlamentarische Geschäftsführer Max Straubinger. Sie standen in der Fraktion für den bundespolitischen Anspruch der CSU, der nunmehr fast bis zur Unkenntlichkeit verblassen wird. Im CDU-Teil der Fraktion soll Helge Braun, früher im Kanzleramt rechte Hand von Kanzlerin Angela Merkel und zuletzt Vorsitzender des Haushaltsausschusses, aufhören. Bundestagsvizepäsidentin Yvonne Magwas und der frühere Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer wollen auch nicht mehr kandidieren.
Prominentester Aussteiger unter den 20 nicht mehr antretenden Grünen ist Landwirtschafts- und Bildungsminister Cem Özdemir, der sich für die Nachfolge des grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, warmläuft (JF 49/24). Bekanntere Grüne, die ebenfalls aufhören wollen, sind Tessa Ganserer, der frühere Verdi-Chef Frank Bsirske und Ex-Landwirtschaftsministerin Renate Künast. Bei der FDP wollen 17 Abgeordnete nicht mehr antreten. Bekanntere Namen sind nicht darunter. Allerdings laufen auch Parteichef Christian Lindner und andere Führungsmitglieder Gefahr, sich beim Scheitern an der Fünfprozenthürde eine Arbeit suchen zu müssen. Zu den sieben nicht mehr kandidierenden AfD-Abgeordneten gehört der frühere Frankfurter Stadtkämmerer und Finanzfachmann Albrecht Glaser. Zu den neun nicht mehr antretenden Linken zählen Gesine Lötzsch und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau.
Von den neun fraktionslosen Abgeordneten hat nur einer eine Chance, wieder dabei zu sein: Stefan Seidler. Er gehört zur dänischen Minderheitspartei Südschleswigscher Wählerverband, die von der Fünfprozenthürde ausgenommen ist. Die anderen können bereits ihre Büros räumen, übrigens auch der prominenteste Fraktionslose: der aus der FDP ausgetretene Verkehrs- und Justizminister Volker Wissing.