© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/24 / 06. Dezember 2024

Olaf ordnet Optimismus an
Unter Druck II: In verzweifelter Lage setzt die SPD auf den unbeliebten Kanzler, Kriegsangst und ein paar Krümel patriotisches Schwarz-rot-gold
Peter Möller

Die SPD spielt auf Sieg. Zumindest versucht die in den Umfragen arg gebeutelte Kanzlerpartei am Anfang des bevorstehenden kurzen Winterwahlkampfes diesen Eindruck zu vermitteln. Ganz nach dem Motto: Klappern gehört zum Geschäft. Denn der demonstrativ zur Schau gestellte Optimismus paßt nicht zum verpaQtzten Auftakt mit der tagelangen Hängepartie bei der Nominierung des Kanzlerkandidaten. 

Statt unmittelbar nach dem Aus der Ampel Anfang November Bundeskanzler Olaf Scholz – der nie einen Zweifel daran gelassen hatte, daß er noch einmal antreten will – zum Spitzenkandidaten zu küren, verhedderte sich die einstige Volkspartei in einem unerklärten Gerangel zwischen Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius. 

Erst als Pistorius, der seit Monaten die Liste der beliebtesten deutschen Politiker anführt, per Video klarstellte, daß er nicht als Kanzlerkandidat zur Verfügung stehe, kehrte Ruhe ein. Doch da hatten neben Scholz auch die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil, denen es über Tage nicht gelang, die Kandidatendiskussion einzufangen, bereits Blessuren davongetragen. „Was war das eigentlich für eine Shit-Show?“ brachte Juso-Chef Philipp Türmer den Eindruck vieler seiner Genossen auf den Punkt.

Immerhin hatte die Partei gerade noch rechtzeitig vor der für das vergangene Wochenende angesetzten „Wahlsiegkonferenz“, mit der die Partei auf die kommenden Wahlkampfwochen eingeschworen werden sollte, die Kurve gekriegt. Die nach Vorbild der „Town Hall Meetings“ im amerikanischen Wahlkampf inszenierte Veranstaltung in der SPD-Parteizentrale in Berlin-Kreuzberg sollte der Partei neuen Optimismus vermitteln und gleichzeitig die eingeladenen Bundestagskandidaten auf Kurs bringen. Im Zentrum stand vor 500 Genossen dabei die erste Rede von Scholz als Spitzenkandidat, mit der er versuchte, die Zweifler in den eigenen Reihen davon zu überzeugen, daß er der richtige Kandidat ist. „Es geht um verdammt viel. Wir stehen vor einer fundamentalen Entscheidung für unser Land, so rum oder so rum“, sagte er. „Wenn wir jetzt falsch abbiegen in Deutschland, in dieser Lage, dann hat das schwerwiegende Folgen.“ 

Daran, daß seiner Partei eine Aufholjagd wie vor der vergangenen Bundestagswahl gelingen kann, wollte Scholz keinen Zweifel aufkommen lassen: „Besinnen wir uns auf unsere Kraft: Nicht meckern, machen. Gemeinsam kämpfen, Seite an Seite. Denn wenn wir kämpfen, werden wir siegen“, schwor er die versammelten Parteimitglieder ein.

Scholz ließ in seiner Rede erneut erkennen, daß der Umgang mit dem Krieg in der Ukraine ein zentrales Thema der SPD im Wahlkampf werden dürfte. Ausdrücklich sprach er von Bedrohungen, vor denen Deutschland stünde. Neben dem Krieg nannte er die Wirtschaftskrise, wachsenden Populismus und Extremismus als Beispiele. „In solchen ernsten Zeiten braucht unser Land ernsthafte Politik, verantwortungsvolle Politik“, sagte der Kanzler. Es brauche „verantwortungsbewußte Politikerinnen und Politiker, denen es um die Sache geht, um unser Land, keine Spieler und keine Zocker“

„Solche Plakate  hänge ich nicht auf“

Zudem zeichnet sich eine bewußte Polarisierung im Umgang mit der Union und insbesondere mit Friedrich Merz ab, dem Scholz in seiner Rede eine rückwärtsgewandte Politik vorwarf. Aus dem „Bis hierhin und nicht weiter“-Konservatismus, den man von der Partei unter der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel kenne, sei unter Merz ein „Von hier aus zurück“-Konservatismus geworden.

 Auch in der Ukraine-Politik griff er Merz an und warf ihm vor, die Sicherheit Deutschlands zu gefährden. „Ich kann da nur sagen: Vorsicht! Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch Roulette“, sagte Scholz mit Blick auf die Ankündigung des CDU-Chefs, als Kanzler Rußland mit Blick auf eine mögliche Taurus-Lieferung ein Ultimatum zu stellen. Gleichzeitig zur Auftaktveranstaltung hat die Partei auch ihre erste Plakatserie für den Wahlkampf präsentiert. Sie steht unter dem Motto „Wir kämpfen“ und sorgte sogleich für Aufsehen und Kritik – in den eigenen Reihen. Die Motive zeigen führende SPD-Politiker vor einer Fahne mit wenig Schwarz, sehr viel Rot und etwas Gold und dem jeweils auf den abgebildeten Politiker abgestimmten Slogan „Wir kämpfen …“ Beim Scholz-Plakat geht es weiter mit „… für Dich und Deutschland“, bei Pistorius (im Tarnanzug der Bundeswehr) heißt es „… für Deine Sicherheit“ und bei Partei-Chef Lars Klingbeil „… für Deinen Wohlstand“. 

Für manche SPD-Mitglieder sind diese Motive offenbar etwas zu martialisch und zu patriotisch geraten. Jedenfalls sorgten die Plakate in den sozialen Medien für einige Irritationen. Dort ist etwa zu lesen: „Bei mir löst die Kampagne nur eines aus: Angst!“ Andere stören sich an der Nationalflagge. Diese sei „mega cringe und grenzwertig“. 

Ein SPD-Mitglied kündigt sogar an: „Solche Plakate hänge ich nicht auf.“ Das Social-Media-Team der SPD sah sich schließlich veranlaßt, unter den zahlreichen kritischen Kommentaren im Netz eine Stellungnahme zu posten: „Wir sehen die kritischen Meldungen zu unserer Kampagne“, heißt es da, „und wir wissen, daß das gewählte Layout mit der deutschen Flagge für einige ungewohnt wirkt.“ Man wolle damit aber zeigen, „wie sehr wir für dieses Land und seine Menschen einstehen“.