Sehr lange, so blickt Historiker Kurt Bauer (Graz) auf die Nachkriegszeit zurück, habe sich Österreich darin gefallen, sich zum ersten Opfer Adolf Hitlers zu stilisieren. Das änderte sich erst 1986 mit der Affäre um die Vergangenheit des Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Seitdem verwandelte sich der Opfer- in den Tätermythos, wonach Österreicher im Vernichtungsapparat der NS-Diktatur überrepräsentiert gewesen seien. Eine Vorstellung, die sich zuletzt durch die Figur des aus Wien stammenden KZ-Kommandanten Amon Göth in Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ fest im kollektiven Unterbewußtsein einbrannte. Zahlreiche seit den 1990ern vorgelegte, statistisch gestützte Studien zu „Täterbiographien“ hätten dieses Vorurteil nicht bestätigt. Weder in der elitären Führungsschicht der SS noch unter der Masse von 75.000 Angehörigen der KZ-Lagermannschaften oder unter den Exekutoren mobiler SS-Einsatzgruppen in der Sowjetunion seien Österreicher signifikant überrepräsentiert gewesen (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 4/2024). Anders sehe es nur aus bei den relativ kleinen, aber wichtigen Gruppen der KZ-Ärzte und der Höheren SS- und Polizeiführer, deren Anteil mit 11,2 und 14,9 Prozent fast doppelt so hoch liegt wie der ihrer Landsleute in den übrigen Sektionen der Völkermord-Maschinerie. (ob) www.ifz-muenchen.de/vfz-archiv