© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/24 / 29. November 2024

Forschung und Lehre als organisierter Skeptizismus
Akademische Dissenskultur

Wissenschaftsfreiheit ist nicht Meinungsfreiheit, und die „demokratische“ ist nicht zu verwechseln mit der „wissenschaftlichen“ Diskurskultur. Hochschulen, so stellte die Politische Philosophie und Theoretische Ethik lehrende Philosophin Elif Özmen (Gießen) klar, sind daher nicht primär auf Dialog ausgerichtet und Teil jener „kritischen Öffentlichkeit“, die ein „Recht auf friedlichen Protest“ gewährt (Forschung & Lehre, 9/2024). Denn anders als auf dem demokratischen Marktplatz der Meinungen, wo Angebot und Nachfrage den Ideenwettbewerb so regulieren, daß auch Falsches sich durchsetzen kann, gelten in wissenschaftlichen Diskursen grundlegende Rationalitätsstandards, die als Filter für unwissenschaftliche Ideen fungieren. Darum sollte Forschung und Lehre frei von Politisierung, Moralisierung und Ökonomisierung bleiben und sich die Universität angesichts eskalierender Cancel Culture als Institution begreifen, an der „organisierter Skeptizismus, Kritik und Kontroverse“ herrschen müsse. Stattdessen gebe es bedrohliche Tendenzen, die akademische „Dissenskultur“, die keine absoluten Wahrheiten kennt, mit dem Verweis auf „höhere“ moralische Güter wie Gleichstellung oder Antidiskriminierung in Frage zu stellen. Im Interesse freier Wissenschaft seien solche Tendenzen „strikt zurückzuweisen“. (dg)   www.forschung-und-lehre.de