Wer geglaubt hatte, Filme, die durch Pennäler-Derbheiten beim Publikum zu punkten versuchen, würden in der Mottenkiste für Siebziger-Jahre-Geschmacksverirrungen vergammeln, hat die Rechnung ohne Florian David Fitz gemacht. Der soeben 50jährige, der 2010 als Autor und Hauptdarsteller von „Vincent will Meer“ noch durch ungewöhnliche Figuren und eine erfrischende Handlung zu glänzen wußte, hat mit der Mitwirkung an der Sex-Klamotte „Der Vierer“ den mutmaßlichen Tiefpunkt seiner Karriere erreicht. Die Möchtegern-Komödie funktioniert nach dem Rezept: Bringe in neunzig Spielminuten so viele Anzüglichkeiten und Synonyme für den Vollzug des Geschlechtsaktes unter wie möglich und laß deine Figuren anschließend in „Liebesgrüße aus der Lederhose“-Manier auch zur Tat schreiten. Hochnotpeinlich.
Das Liebesleben der Eheleute ist auf der Strecke geblieben
Der Film von Iván Sáinz-Pardo wärmt eine pseudo-revolutionäre Idee aus dem überwunden geglaubten Zeitalter von Kinderläden und Oswalt-Kolle-Aufklärungsfilmen auf, als ganze Scharen von Sexualrevolutionären dem Irrglauben anhingen, ein ausschweifendes Triebleben und simulierte Polygamie erhöhten den Glücksfaktor. Vier geistig auf den ersten Blick gesunde Menschen verabreden sich zu einem Abend, dessen buchstäblicher Höhepunkt die geschlechtliche Aktivität zwischen allen Beteiligten im selben Amüsierkabinett sein soll. Florian David Fitz spielt Paul, einen Endvierziger, der seinen Thermomix mehr zu lieben lernte als seine berufliche Karriere und ganz in seiner Rolle als Hausmann und Vater aufging. Ganz anders seine Gattin Sophie (Julia Koschitz): Sie ist als Anwältin ein echter Feger und findet, daß karrieremäßig längst noch nicht Ende der Fahnenstange ist. Dabei ist das Liebesleben der beiden Eheleute leider auf der Strecke geblieben. Paul fehlt Anerkennung, Sophie die Leidenschaft. Sie findet ihren Ehemann ein bißchen bieder. Ihre Kritik bringt sie auf den Punkt mit der Dialogzeile: „Ein Typ, der sich in der Waschanlage anschnallt, der ist nicht sexy.“ Es ist einer der witzigeren Sätze im desolaten Drehbuch von Regisseur Sáinz-Pardo, Hauptdarsteller Fitz und Torben Struck.
Das Leinwandprodukt, das mit Mühe und Not Fernsehfilmniveau erreicht, setzt damit ein, daß Sophie und Paul sich für den abenteuerlichen Abend der Ausschweifung zurechtmachen. Dabei fliegt auf, daß Paul den zweiten Mann des titelgebenden „Vierers“ ausgetauscht hat. Für den rustikalen Andi, der angeblich unpäßlich ist, hat er den anspruchsvollen und daher in der Liebe glücklosen Lukas (Friedrich Mücke) ins Spiel eingewechselt. Darüber gibt es Streit zwischen den Eheleuten, und der Abend ist für sie gelaufen: Sie sagen die Lustbarkeit ab. Im dafür auserkorenen Lokal machen derweil die beiden anderen Mitspieler Bekanntschaft miteinander: Lukas und die spanische Nymphomanin Mia (Lucía Barrado). Erfolgreich becirct die impulsive Migrantin den soliden Deutschen. Beide fallen programmgemäß übereinander her.
Der vermeintliche Clou des Gruppensex-Klamauks besteht nun in dem Montageverfahren, mit dem das Liebesspiel von Mia und Lukas fortlaufend als Gegenschnitt zu dem Tête-à-tête der beiden Zu-Hause-Gebliebenen präsentiert wird. Die fallen nämlich ebenfalls übereinander her, allerdings nach dem unerreichbaren Vorbild von Elizabeth Taylor und Richard Burton in dem Ehekrach-Klassiker „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1966). Der Abend, der für Mia und Lukas einen (vorläufigen) Höhepunkt in ihrem Liebesleben bedeutet, erweist sich für Sophie und Paul als Tiefpunkt ihrer Zweisamkeit. Immerhin erholt sich das Paar davon wieder. Die ausgefallene Sexorgie wird nämlich – o Graus! – nachgeholt, und es gibt ein versöhnliches Ende. Die Ehe ist noch zu retten, das Drehbuch nicht. Jeder Versuch wäre verlorene Liebesmüh.
Kinostart ist am 28. November 2024