Die EU-Kommission und das Europaparlament haben wieder zugeschlagen. Und wie so häufig wird mit der „Entwaldungsverordnung“ (EUDR; EU-Verordnung 23/1115) vielen erst jetzt klar, was sie bedeuten könnte. Nämlich nichts Geringeres als das Ende des freien Wortes, so wie wir es kennen. Dabei klingt das Anliegen zunächst vernünftig: Die UN schätze, daß 90 Prozent der weltweiten Rodungen auf den Agrarflächenbedarf zurückzuführen sei. Palmöl oder Soja trieben den Raubbau an den Wäldern voran – aber eben auch die Papierindustrie. Dem soll die EUDR einen Riegel vorschieben. Und zwar mit – wir ahnen es – sehr viel Bürokratie.
Umfangreiche Prüfpflichten werden „für Marktteilnehmer und Händler festgelegt, die folgende Rohstoffe auf den EU-Markt bringen oder aus dem EU-Markt ausführen: Palmöl, Rinder, Holz, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Soja“. Durch die EUDR solle sichergestellt werden, daß diese Rohstoffe nur aus „nachhaltigem“ Anbau stammen. Für die nationale Umsetzung sind die 27 EU-Staaten selbst verantwortlich, in Deutschland ist dies die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Diese veröffentlichte ein nettes Erklärvideo, bei dem klar wird: Es wird kompliziert; unerfüllbare Nachweispflichten, praxisferne Vorgaben und eine weitere drastische Bürokratiebelastung. Der Bundesverband Druck und Medien (BVDM) schlägt deshalb erneut Alarm: Nur große, umsatzstarke Unternehmen könnten sich die im November leicht entschärften EUDR-Nachweispflichten leisten – und die nötige Hilfe durch spezielle Dienstleister und Unternehmensberatungen bezahlen, wäre hinzuzufügen.
Für kleinere Firmen steht der bürokratische Aufwand in keinem Verhältnis. Das gilt insbesondere für Kleinverlage. Sollten diese aber verschwinden, gäbe es nur noch die großen Verlagshäuser. Statt unbedingter Meinungsvielfalt verbliebe also nur noch deren Meinungsoligopol. Gedruckt wird, was in deren woker Führungsetage für gut und politisch korrekt befunden wird. Der Selbstverleger, der in Eigenregie sein Manuskript vermarktet, wird der Vergangenheit angehören. Aber ist das gedruckte Wort überhaupt noch zeitgemäß?
Tatsächlich sprechen Experten allerdings von einer Renaissance des Buches. Die allgemeine Vernetzung digitaler Medien bringt es mit sich, daß statische Informationen inzwischen dynamisch geworden sind. Wer heute ein digitales Buch auf einem E-Reader liest, kann sich morgen nicht mehr sicher sein, den gleichen Text vor Augen zu haben. Dystopische Visionen wie „1984“ oder „Fahrenheit 451“, wo noch mit Großaufwand das historische Gedächtnis einer Gesellschaft manipuliert werden mußte, könnten schon heute schnell und geräuschlos im Hintergrund ablaufen. Nur das gedruckte Buch allein garantiert schwarz auf weiß, daß sein Inhalt der gleiche bleibt.
Statt „Lügen wie gedruckt“ wird es wohl künftig „Lügen wie digitalisiert“ heißen. Absicht oder am Ende vielleicht sogar insgeheimer Plan der EU? Wir wissen es nicht. Die EUDR, die ursprünglich schon dieses Jahr in Kraft treten sollte, wird sehr wahrscheinlich um ein Jahr verschoben, wenn die 27 Vertreter des EU-Rats im Dezember zustimmen. Für Großfirmen gilt die EUDR dann ab 30. Dezember 2025, für Kleinunternehmer ab dem 30. Juni 2026. Nicht viel Zeit also, um noch kontroverse Bücher für die Nachwelt zu drucken.
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