Die politische Landschaft der Steiermark wurde gestern durch ein historisches Wahlergebnis gründlich durchgerüttelt: Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) erzielte mit 34,8 Prozent der Stimmen einen überwältigenden Sieg und legte dabei beeindruckende 17,3 Prozentpunkte zu.
Entsprechend euphorisch zeigte sich FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek am Wahlabend im Interview mit dem ORF: „Wir haben auf Sachinhalte gesetzt und in vielen Themenbereichen die Themenführerschaft eingenommen. Wir haben uns Vertrauen erarbeitet, und das wurde heute an einem historischen Tag für die Freiheitliche Partei sichtbar.“
Weitaus enttäuschender verlief der Wahltag für die bisher regierende Koalition aus der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und den Sozialdemokraten (SPÖ), die deutliche Verluste hinnehmen mußten. Die ÖVP fiel fast zweistellig ab und kam noch auf 26,8 Prozent, während die SPÖ mit 21,4 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte in der Steiermark verzeichnete. ÖVP-Ministerpräsident Christopher Drexler beteuerte am Abend unter Tränen vor seinen Anhängern und zahlreichen Fernsehkameras, in diesem Wahlkampf alles gegeben zu haben, und sah die Schuld am Absturz seiner Landespartei vor allem im Verhalten der Bundes-ÖVP.
„Watschn“ für die Bundes-ÖVP und ihren Chef Karl Nehammer
Die verhandelt aktuell ein Dreierbündnis mit den Sozialdemokraten und den sozialliberalen NEOS, um eine Kanzlerschaft der rechten FPÖ trotz ihres ersten Platzes bei den jüngsten Nationalratswahlen zu verhindern. Dieses Agieren wiederum wird von vielen konservativen Wählern kritisch gesehen, was nun auch die steirische ÖVP zu spüren bekam. Mit einem zynischen „ein großes Danke nach Wien“, wandte sich Drexler deshalb mehr oder weniger unverblümt kritisch an seine Parteigenossen in der Hauptstadt. Die Antwort erfolgte prompt: „Ich wäre vorsichtig mit Schuldzuweisungen“, ließ ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker seinen Parteikollegen Drexler noch am Wahlabend unmißverständlich wissen.
Die Grünen erlitten ebenfalls Einbußen und kamen auf 6,2 Prozent, was einen Verlust von sechs Prozentpunkten bedeutet. Die NEOS verbesserten sich leicht auf 6,0 Prozent und erreichten damit ihr bisher bestes Ergebnis, blieben in Anbetracht der großen Wählerwanderungen jedoch unter den Erwartungen. Auch die Kommunisten von der KPÖ, die in der Landeshauptstadt Graz die Bürgermeisterin stellen, konnten trotz leichter Verluste und mit 4,5 Prozent Wähleranteil wieder in den Landtag einziehen. Möglich macht dies in der Steiermark das besondere Landeswahlrecht, das keine klassische Prozenthürde kennt. Zum Einzug in den Landtag muß lediglich ein sogenanntes Grundmandat in einem der vier Wahlkreise der Steiermark erreicht werden.
Die Auswirkungen des Wahlergebnisses auf die Koalitionsverhandlungen im Bund werden von politischen Beobachtern indes zwiespältig beurteilt. Einerseits könnte das Wahlergebnis in der Steiermark nun den Druck auf die Koalitionsbildung in Wien erhöhen und ein Scheitern selbiger damit wahrscheinlicher machen. Andererseits hatten sich sowohl der FPÖ-Sieg als auch das schwache Abschneiden der ÖVP und der SPÖ lange angekündigt und dürften dementsprechend bei den jeweiligen Bundesparteien und ihren Überlegungen schon eingepreist worden sein.
Sichtlich erfreut wertete der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl den steirischen Erfolg jedenfalls als Signal gegen eine österreichische Variante der Ampelkoalition und ließ in Richtung der Verhandler verlauten: „Die Ampel fliegt ihnen um die Ohrwaschln!“ Kommentar Seite 2