© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/24 / 29. November 2024

Schöne Idee der Woche
Gemeinsam feiern
Paul Leonhard

Wer von Dresden aus im endlosen Strom der osteuropäischen Fernlaster auf der Autobahn 4 nach Osten mitschwimmt, Bautzen und das Land der Sorben und auch irgendwie den meist gesperrten Autobahntunnel Königshainer Berge passiert hat, taucht ein in eine verwunschene Welt: das letzte Stück Schlesiens in der Bundesrepublik. Die Menschen in und um Görlitz hatten sich nach 1990 – vom übrigen Rest der Republik und noch mehr von Polen mißtrauisch beäugt – auch dank einer damals noch konservativen sächsischen CDU das Recht erkämpft, ihren Landstrich Niederschlesien zu nennen und das in der sächsischen Verfassung festgeschrieben. Seitdem dürfen hier gleichberechtigt neben den sächsischen und deutschen Farben auch die Niederschlesiens gezeigt werden. Besonders beliebt ist dabei das Wappen mit dem schlesischen Adler. Und natürlich heißt auch der traditionelle Weihnachtsmarkt hier Schlesischer Christkindelmarkt. Der findet vor der malerischen Kulisse der Görlitzer Altstadt statt und weist in diesem Jahr eine Besonderheit auf: Am Wochenende vom 13. bis 15. Dezember erstreckt sich die Weihnachtsmeile über den Grenzfluß Neiße hinweg in den polnischen Teil der Stadt. Zgorzelec liegt in der Woiwodschaft Niederschlesien, auf polnisch Dolny Slask. Da die Menschen der nur durch die schmale Neiße getrennten Städte im Alltag, bedingt durch die Sprachbarriere, Rücken an Rücken leben, wollen sie in diesem Jahr probieren, wie es ist, gemeinsam Weihnachten zu feiern. Als Höhepunkt wird es am 14. Dezember eine gemeinsame Mitsingaktion geben. Auf der Altstadtbrücke wollen Deutsche und Polen gemeinsam „Stille Nacht, Heilige Nacht“ singen – auf deutsch, polnisch und englisch – und damit, so die Veranstalter, ein „Weltzeichen des Friedens, das dem Lied inneliegt“, setzen. Eingeladen dazu sind auch alle Gäste.