© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/24 / 29. November 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Influenza Bundestagis
Paul Rosen

Im Bundestag grassiert ein besonderes Fieber, gegen das Spritzen oder Tabletten nichts ausrichten können: das „Dezemberfieber“. Es bricht regelmäßig zum Jahresende aus, wenn auf dem „Sachleistungskonto“ für die Ausstattung der Abgeordnetenbüros noch Guthaben verzeichnet sind. Dann wird auf einmal bestellt, was das Zeug hält, damit das Guthaben nicht zum Jahresende verfällt. 

Die 638 Abgeordneten lassen sich vom Steuerzahler üppig ausstatten. Sie sind in der angenehmen Lage, den Umfang des Griffs in die Staatskasse selbst beschließen zu können. Obwohl die Büros mit Möbeln, Elektronik und Telefonen, Reinigung und Heizung ohnehin schon aus der Staatskasse bezahlt werden, gibt es für weiteren Bedarf noch 1.000 Euro obendrauf – und zwar Monat für Monat. Im Gegensatz zu der zusätzlich zu den Diäten (11.227,20 Euro) steuerfrei ausgezahlten Kostenpauschale von 5.051,54 Euro im Monat können die Abgeordneten kein Geld vom Sachleistungskonto abheben, sondern wie bei einem Onlineshop bestellen. Der Bundestag beschreibt, was es so alles gibt: „Dazu gehören vor allem Büromaterial, Geräte wie Laptops mit Zubehör, Diktier- und Faxgeräte, mandatsbezogene Fachbücher, Schreibgeräte, Briefpapier, die IT-Ausstattung ihrer Wahlkreisbüros, Mobiltelefone sowie Mobilfunk- und Festnetzverträge.“

Das ist jedoch nicht alles. Beim Bund der Steuerzahler weiß man, was auf den Einkaufslisten der Abgeordnetenbüros zu finden ist. „Vom Steuerzahler finanziert werden auch beispielsweise Kaffeevollautomaten, Digitalkameras, Notebooks, iPads und Navigationsgeräte inklusive deren Einbau im privaten Pkw“, berichtet die Organisation. Nicht nur das üppige Budget sei kritikwürdig: „Auch können alle beschafften Gerätschaften hervorragend privat genutzt werden.“

Regelmäßig zum Jahresende wissen die Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung von einer regelrechten Bestellungswelle zu berichten. Wertvolle Accessoires für den Schreibtisch wie hochwertige Mappen und Schreibtischunterlagen sind gefragt. Genommen wird alles, was auch auf den häuslichen Gabentisch zu Weihnachten paßt. Früher war es in vielen Büros üblich, noch schnell hochpreisige Füllfederhalter der Marke Montblanc zu bestellen. Selbst das Büro des damaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) war an so einer Bestellung beteiligt. Lammert ließ aber dementieren, sich einen hochpreisigen Stift für eigene Zwecke bestellt zu haben: „Der Bundestagsverwaltung ist kein Fall bekannt, in dem Herr Lammert selbst einen Montblanc-Stift bestellt hat“, erklärte die Verwaltung damals zur „Montblanc-Affäre“, in der über hundert Abgeordnetennamen auf durchgestochenen Bestelllisten zu finden gewesen sein sollen.

Inzwischen ist eine Wiederholung der Montblanc-Affäre ausgeschlossen. Hochpreisige Stifte und Füller hat die Bundestagsverwaltung nicht mehr im Angebot. Aber es gibt noch genug andere schöne Sachen, die sich unter dem Weihnachtsbaum gut machen.