Am Sonnabend werden die Mitglieder der CDU im nordrhein-westfälischen Wuppertal darüber abstimmen, wen sie bei der vorgezogenen Bundestagswahl für ihre Partei ins Rennen um das Direktmandat im Wahlkreis 102 schicken wollen. Eigentlich eine Lokalgeschichte. Wäre einer der Bewerber nicht der bisherige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang (JF 48/24). Der prominente Ex-Behördenchef, dessen Wunsch in die Politik zu wechseln auch parteiintern nicht unumstritten ist, hat eine Gegenkandidatin: Derya Altunok. Die frischgewählte Chefin der Wuppertaler Frauen-Union ist seit 2022 CDU-Mitglied. Mit der JUNGEN FREIHEIT sprach die stellvertrende Kreisvorsitzende unter anderem über ihre Motivation, über Haldenwang und dessen Reaktion.
Frau Altunok, erst wollten und sollten Sie in Wuppertal für die CDU als Direktkandidatin zur Bundestagswahl antreten. Dann zogen Sie zurück, als Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang das Mandat für sich beanspruchte. Nun kandidieren Sie doch. Wie kommt es zu dem Sinneswandel?
Derya Altunok: Nachdem wir im Kreisvorstand besprochen haben, daß Herr Haldenwang unser Direktkandidat werden soll, erfuhren plötzlich sehr viele in der Partei und fast ganz Wuppertal, daß ich mich zurückziehe.
Was geschah dann?
Altunok: Daraufhin schlug eine regelrechte Welle der Ermutigung und Zustimmung bei mir ein. Mein Telefon hat nicht mehr aufgehört zu klingeln. Sehr viele Leute sagten mir, daß sie meinen Rückzug bedauern. Und sie baten mich, noch einmal darüber nachzudenken. Der Tenor lautete, ich sei eine „neue frische Kandidatin“. Das fand ich herzerwärmend und hat mich motiviert.
Gehörten denn auch prominente CDU-Mitglieder zu den Menschen, die Sie ermutigt haben?
Altunok: Ja, Serap Güler, Bundesvorstandsmitglied der CDU, hat sich bei mir gemeldet – eine Frau mit wahnsinnig großer politischer Erfahrung. Sie sagte mir: „Denk noch mal darüber nach.“ Ich war zwar schon vorher ins Schwanken gekommen, aber ehrlich gesagt: Eine größere Motivation gab es für mich nicht. Daraufhin habe ich mich dann mit Vertrauten zusammengesetzt und gemeinsam mit ihnen entschieden, mich doch um das Direktmandat zu bewerben.
Was war der Hauptgrund dafür?
Altunok: Wir leben in sehr herausfordernden Zeiten. Die Wirtschaft befindet sich aus einer Vielzahl von Gründen in einer schwierigen Phase. Wir alle spüren in unseren Portemonnaies die Auswirkungen der Inflation, die Migrationskrise belastet unsere staatlichen Strukturen, insbesondere die Kommunen. Die CDU hat in den letzten drei Jahren in der Opposition die Zeit genutzt, um sich programmatisch und personell vollständig neu aufzustellen. Es ist ein echter Ruck durch die Partei gegangen und eine neue Welle der Motivation. Wir wissen, wir haben jetzt noch einmal die Chance, dem Land zu beweisen, daß die CDU als letzte große Volkspartei aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und die richtigen Ideen für die Zukunft hat. Ich möchte Teil dieses Aufbruchs sein und – wie viele junge Kandidaten der CDU auch – meinen Beitrag in dieser herausfordernden Phase leisten und die Stimme der Wuppertaler in Berlin sein.
Wie haben denn Ihr Kreisvorsitzender Johannes Slawig und Thomas Haldenwang darauf reagiert?
Altunok: Mir war sehr wichtig, daß sie das von mir und auch persönlich erfahren – nicht etwa aus der Presse. Daher habe ich sofort nach meiner Entscheidung die beiden angerufen, zunächst Herrn Slawig, dann Herrn Haldenwang.
Und?
Altunok: Johannes Slawig war sehr überrascht. Er sagte, es sei mein demokratisches Recht zu kandidieren. Aber er stellte auch fest: Sein Kandidat und der Vorschlag des Vorstandes bleibt Thomas Haldenwang. Das ist auch okay so.
Und was hat Haldenwang gesagt?
Altunok: Er hat neutral reagiert. Und er hat es sportlich aufgenommen. Mir ist wichtig, daß es ein faires Spiel ist.
Glauben Sie, daß Haldenwang auch fair spielt?
Altunok: Ja, das hat er mir zugesagt, und darauf vertraue ich. Wir haben ausgemacht, daß der unterlegene Kandidat den Gewinner anschließend im kurzen und intensiven Wahlkampf unterstützen wird. Wer das wird, entscheiden jetzt die Mitglieder.
Derya Altunok ist 35 Jahre alt und hauptberuflich bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf tätig. Sie stammt aus einer türkisch-alevitischen Familie und ist in Wuppertal aufgewachsen.