Reich mir mal die Panzerkette, den Nagel und die Schrauben!“ Nein, es geht nicht um den Ton hinter einem Garagentor bei der Bundeswehr, sondern um Schmuck. Schmuck? Aber sollte der nicht filigran oder zumindest pompös sein? Und sich nicht nach Werkstadt oder Stahlwerk anhören und danach aussehen? Ist das nicht auch ein stückweit zynisch, immerhin kann sich der Durchschnittsarbeiter am Hochofen nicht mal eben einen dieser Klunker leisten.
Doch heutzutage dürfen Schmuckstücke gern mal etwas rougher erscheinen. Verspielte Fabergé-Eier, die gefühlt schon von einem strengen Blick auseinanderfallen, sind so gestern wie Omas spießige Perlenkette. Und immerhin sind das Tiffany-Schloß (3.050 Euro am silbernen Wickelarmband) oder die „Tank“-Uhr von Cartier (14.000 Euro für das große Roségold-Modell) mittlerweile moderne Klassiker. Auch die Zehntausende bis Hunderttausende Euro kostende Armbanduhr „Royal Oak“ erinnert stark an einen Achtkant, stammt aber vom Schweizer Traditionshaus Audemars Piguet.
Bling-Bling ist längst auch ein Statussymbol für Männer
Doch wenn Armreifen aussehen wie verbogene riesige Nägel (Cartiers „Juste un Clou“), verschraubte Platten (Cartiers „Love“-Kollektion) oder Schraubgewinde mit Muttern („Ecrou de Cartier“), kann es grotesk wirken. Erst recht, wenn die sie tragenden Damen oftmals erscheinen, als hätten sie zwar regelmäßig ein Skalpell im Gesicht, aber noch nie einen Hammer oder Schraubenschlüssel in der Hand gehabt. Verstärkt wird der Kontrast, wenn die silbernen und goldenen Möchtegern-Werkzeugkastenutensilien mit zig Diamanten bestückt sind – in der HipHop-Kultur auch „Ice“ genannt wegen des klarweißen Glitzerns.
Kalt den Rücken läuft es einem dabei jedoch nur beim Blick auf die Preisliste hinunter. So kostet der „Ecrou de Cartier Armreif aus 750er Roségold mit 24 Diamanten im Baguetteschliff“ schlappe 23.500 Euro und der „Juste un Clou Armreif aus 750er Roségold mit 624 Diamanten im Brillantschliff“ sogar nur 86.000 Euro. Ein Schnäppchen für jeden Werkzeugmacher, Zimmermann und Kfz-Mechaniker.
Der Trend zum rustikalen Schmuckstil wird auch dadurch befeuert, daß immer mehr Männer Bling-Bling tragen und damit zeigen, was sie haben – allen voran millionenschwere Musik- und Sportstars. Galt Schmuck früher eher als feminin, hängen sich heute sonst knallharte Rapper oder Superstürmer gern mal eine funkelnde Million ans Ohrläppchen. Erst recht wenn das restliche Outfit mit T-Shirt, Jeans und Turnschuhen Normalo-Understatement vorgaukelt: Hose 200 Euro, Hemd 100 Euro, Halskette 750.000 Euro – für viele in der Tat unbezahlbar. Ein teurer „Wieviel ist dein Outfit wert?“-Gag. Schmuck ist auch in der Welt des Testosterons längst zum Statussymbol geworden. Trotzdem dürfen die Prunkgeschmeide natürlich männlich rustikal chiffriert und in der progressiven Welt gleichzeitig an alle Geschlechter gerichtet sein.
Und so erscheinen einige Produktlinien wie Stacheldraht (Tiffanys „Knot“) oder wie Kugellager und Ankerketten (Tiffanys „HardWear“). Die schwere harte Ware hat auch harte Preise: für die Gliederhalskette in „simplem“ Gelbgold werden 20.200 Euro verlangt, für die mit Pavé-Diamanten 85.000 Euro.
Der Look ist selbstverständlich erst perfekt, wenn alle Baumarkt-Accessoirs gleichzeitig um Hals, Finger und Handgelenke getragen werden, sich ineinander praktisch verhaken und das Uhrenkrokoarmband genauso zerkratzen wie das Chanel-Jackeninnenfutter und den Ferrari-Türlack. Ein bißchen Schwund und Gebrauchsspuren müssen eben sein. Dafür rostet das Juwelier-Baumaterial am Körper nicht – wenn es denn wirklich echt ist.