© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/24 / 22. November 2024

Grün-roter Medienfilz
„Correctiv“ baut gezielt sein Netzwerk und den „gemeinnützigen Journalismus“ aus
Sven Versteegen / Gil Barkei

Vor einem Jahr am 25. November 2023 fand in der Villa Adlon am Lehnitzsee das mittlerweile berühmte „Potsdamer Treffen“ statt. Das Medienunternehmen „Correctiv“ machte Wochen später Anfang dieses Jahres eine aufsehenerregende Geschichte daraus – eine Lügengeschichte. Denn wüste Behauptungen, wie etwa die angebliche Besprechung der Deportation von deutschen Staatsbürgern, stellten sich als erfunden heraus (JF 47/24). Trotzdem halten sich seitdem die Räuberpistole und die durch sie ausgelösten Massenproteste hartnäckig im gesellschaftlichen Bewußtsein; auch weil zahlreiche Pressevertreter die „Fake News“ trotz juristischer Niederlagen unkorrigiert stehenlassen (JF 44/24). 

Für „Correctiv“ ist 2024 dadurch zu einem Erfolgsjahr geworden, die Desinformation zu einem Karriereschub – mit positiven Effekten auf persönliche Lebensläufe und auf Themenfelder wie den „gemeinnützigen Journalismus“. Dieser gewinnt auch Dank des Wirkens von Correctiv massiv an Einfluß und Geldern, und verbandelt sich immer enger mit (grün-roter) Politik und den klassischen Medien.

Aktuelles Beispiel ist Jeannette Gusko. Nachdem sie „Correctiv“ seit 2022 gemeinsam mit Gründer David Schraven als Co-Geschäftsführerin geleitet hat, wechselt Gusko nun ausgerechnet in die Bundestagswahlkampfabteilung der Grünen ins „Team Robert“ rund um Noch-Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat Robert Habeck. Die Welt spricht von „inoffiziellen Staatsmedien“ und schreibt dazu deutlich: „Erst inszeniert „Correctiv“ seine ‘Geheimplan’-Story als politische PR-Kampagne, dann wechselt die Geschäftsführerin ins Wahlkampfteam von Robert Habeck. Der Fall zeigt, wie regierungsfinanzierte Medien die Glaubwürdigkeit von Politik und Journalismus beschädigen.“

Laut „Correctiv“ konzentrierte sich Gusko zwar „ausschließlich auf die organisatorische und strategische Leitung“ ohne redaktionellen Einfluß, doch insbesondere ihre „Neustrukturierung der finanziellen Grundlagen“ in einer Phase des „größeren Wachstums“ hob das selbsternannte Recherchebüro lobend hervor. Diese „Grundlagen“ erhielten seit der „Correctiv“-Gründung 2014 rund 2,5 Millionen Euro an staatlichen Fördergeldern. Allein aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung flossen 2022 und 2023 etwa 266.000 Euro an die Journalisten. Zuvor hatte Gusko pikanterweise in eben jenem Ministerium gearbeitet. 

Gusko arbeitete zudem als Spendensammlerin für das „Centre for Feminist Foreign Policy“, das seit 2021 etwa 405.000 Euro vom Auswärtigen Amt erhielt und als Stichwortgeber für Außenministerin Annalena Baerbocks (Grüne) „feministische Außenpolitik“ gilt. Das Auswärtige Amt selbst überwies 2019 und 2020 jeweils 44.000 Euro an „Correctiv“. Ebenso trat Gusko in der Vergangenheit als Rednerin bei einem SPD-Parteitag und mehreren Veranstaltungen der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung auf. Trotzdem schreibt die Rechercheplattform, sie arbeite „frei von politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten“.

Um sich noch „unabhängiger“ aufzustellen, setzt sich „Correctiv“ zudem seit längerem für eine Förderung des vermeintlich „gemeinnützigen Journalismus“ ein. David Schraven ist Co-Vorsitzender der entsprechenden Lobbyorganisation „Forum Gemeinnütziger Journalismus“, die seit Monaten fordert, „diese Form des Journalismus fest in unserem Mediensystem zu verankern“. Ende Juli hatten Jeannette Gusko und die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Anne Webert, für das Forum die Petition „Schafft Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus!“ mit mehr als 50.000 Unterschriften an die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) überreicht. 

Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte kurz darauf im Auftrag der Ampel-Regierung einen sogenannten Anwendungserlaß vorbereitet, mit dem „gemeinnütziger Journalismus“ massiv steuerlich gefördert werden sollte, wenn die berücksichtigten Projekte „Aufklärung“ und „Wissensvermittlung“ bieten würden. Dieses Regieren per Erlaß und die Etablierung einer „dritten Säule“ im Journalismus (Schraven) neben öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privatem „Marktjournalismus“ scheiterte Mitte September jedoch am Widerstand der Bundesländer.

Fühler nach Europa und über den Atlantik ausgestreckt

Das „Forum Gemeinnütziger Journalismus“, zu dem auch Netzpolitik.org, Stiftungen wie die Augstein-Stiftung oder die Töpfer-Stiftung und Gewerkschaften wie der DJV oder die dju in Verdi gehören, legte daraufhin einen Gesetzesentwurf vor, der die „Aufnahme des gemeinnützigen Journalismus in den Katalog der gemeinnützigen Tätigkeiten“ regeln soll. Der Entwurf „zur Anerkennung des nicht gewinnorientierten und parteipolitisch neutralen Journalismus als gemeinnützig“ entstand außerdem in Zusammenarbeit mit der Petitionsplattform innn.it, auf der die bekannte Petition zur Rettung des von Streichung bedrohten ÖRR-Kultursenders 3sat lief. 

„Nicht gewinnorientiert und parteipolitisch neutral“, das ist angesichts der Verbindungen zu SPD, Grünen, linken Stiftungen und (zum Teil GEZ-ausstaffierten) Medien fraglich. In Berlin ist „Correctiv“ Teil des frisch bezogenen „Publix“-Hauses für „Medienvielfalt und Demokratie“ (JF 40/24). Eröffnungsrednerin war die grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die das Projekt mitfördert.

Über die Crowdfunding-Plattform Startnext hat „Correctiv“ 660.000 Euro eingesammtelt – erbeten waren eigentlich eine Million –, um sich „finanziell stark für die kommende Bundestagswahl aufzustellen“. Gezielt eingesetztes Werbe-Zugpferd: die Falschinformation zum „Potsdamer Treffen“. „Unsere Geheimplan-Recherche hat Millionen Menschen auf die Straße geführt und den Glauben an den Wert unserer Demokratie wiederbelebt“, schrieb Schraven. „Das Crowdfunding ermöglicht unsere nächsten Recherchen, Faktenchecks gegen Falschmeldungen oder Bildungsarbeit an Schulen. Vielleicht sogar die nächste lokale „Correctiv“-Redaktion“, ergänzte die nun für Habeck in den Wahlkampf ziehende Jeannette Gusko.

„Correctiv“ hat also viel vor – mit besten Kontakten in Ministerien und nach Übersee. Vom Berliner Tagesspiegel holte das „gemeinwohlorientierte“ Medienunternehmen Anna-Maria Wagner als Managerin für Strategische Kommunikation. Zuvor arbeitete sie in der Öffentlichkeitsarbeit des ARD-Hauptstadtstudios und für den DJV. Gleichzeitig baut das Recherchebüro sein internationales Projekt, das Lokaljournalismus-Netzwerk „Correctiv.Europe“ aus. Das Ziel: ein europaweiter „Motor für unabhängige und kollaborative Berichterstattung“, der „lokale Stimmen mit europäischer Relevanz hörbar“ macht. Als Managing Director fungiert Joanna Krawczyk, früher Vize-Chefin von Geostrategy East beim US-Thinktank German Marshall Fund of the United States, der sich für die transatlantischen Beziehungen stark macht. Als Präsidentin der linksliberalen polnischen Gazeta Wyborcza Foundation leitet sie weiterhin den Ukrainian Media Fund. 

Als Senior Reporterin für die Redaktion kam Frida Thurm von Zeit Online, wo sie das Gesellschaftsressort leitete. „Correctiv.Europe“ hat laut eigenen Angaben „bereits erfolgreich ein Netzwerk von über 270 lokalen Journalistinnen und Journalisten sowie Medienorganisationen in 27 europäischen Ländern aufgebaut“. Gemeinsam werde man „weiterhin daran arbeiten, die lokale und europäische Dimension journalistischer Arbeit zu verknüpfen und so zu einer informierten Öffentlichkeit und einer widerstandsfähigen Demokratie beizutragen“, kommentierte Schraven die Verstärkungen im Herbst. 

Darüber hinaus lassen Video-Projekte aufhorchen. Im Auftrag des SWR produziert „Correctiv“  den Funk-TikTok-Kanal „Türkei100“, der Wegmarken der deutsch-türkischen Geschichte präsentiert – also eine Querfinanzierung mit Rundfunkbeitragsgeldern. Übrigens: SWR-Intendant und ARD-Vorsitzender Kai Gniffke hat auch längst den gemeinnützigen Journalismus entdeckt. Bereits Anfang September skizzierte er gegenüber der Wirtschaftswoche seine Idee einer „gemeinwohlorientierten digitalen Plattform für deutschsprachige Medienangebote“ für Audio und Video. Diese solle von ARD, ZDF und Deutschlandradio bestückt, aber „auch für privatwirtschaftlich betriebene Medienhäuser“ geöffnet werden. Schließlich könnten „wir doch nicht zulassen, daß die Algorithmen von Meta und Alphabet den Deutschen vorschreiben, was sie sehen und was sie nicht sehen“.

Foto: Jeannette Gusko: Früher „Correctiv“, jetzt im „Team Robert“