Es gehört zu den besonderen Reizen des Kinos, daß es sein Publikum immer wieder an Orte entführen kann, zu denen ihm eigentlich der Zutritt verwehrt ist. Auf keinen Ort der Welt dürfte dieses „Kein Zutritt für Unbefugte“ wohl mehr zutreffen als für ein Konklave, dieses geheimnisvolle Gremium, dessen Bezeichnung bereits auf ein Eingeschlossensein verweist: Streng abgeschottet muß es den neuen Papst küren, sobald sein Vorgänger das Zeitliche gesegnet hat. Gerade dieses Mysterium, das den Schauplatz der Papstwahl umgibt, stachelt natürlich die Neugier an, besonders die Außenstehender.
Der englische Schriftsteller Robert Harris, Schöpfer von Reißern wie „Vaterland“ (1992) und „Enigma“ (1995), hat sich mit seinem Roman „Konklave“ (2016) nach Kräften bemüht, diese Neugier zu befriedigen, unter Zuhilfenahme einer immens regen Phantasie. Der deutschsprachige Regisseur Edward Berger, dessen Neuverfilmung des Remarque-Klassikers „Im Westen nichts Neues“ letztes Jahr mit vier Oscars ausgezeichnet wurde, hat sich des spannenden Stoffes angenommen und daraus ein solides, aber alles in allem unspektakulär inszeniertes Intrigenkammerspiel gemacht, bei dem vieles in vom Zeitgeist geordneten Bahnen verläuft.
Allen geht es vor allem um Ansehen, Macht und Einfluß
Wie 1990 im dritten Teil von „Der Pate“ geht es, wenn ein Blick hinter die Kulissen des Vatikans geworfen wird, um Eitelkeiten und Ränkespiele, verdeckte Manöver, offene Machtkämpfe, gewahrte und bedrohte Interessensphären. Wenn ein Posten neu zu besetzen ist, der in der Weltpolitik mit dem größten Renommee rechnen darf, ist das eine politisch heikle Angelegenheit und etwas Machtgerangel, rein menschlich betrachtet, daher ziemlich normal.
Tot liegt er zu Beginn von „Konklave“ in seiner Kammer, der Pontifex. Völlig unerwartet ist das Oberhaupt der katholischen Christenheit verstorben – Herzinfarkt. Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) hat nun die schwierige Aufgabe, als Dekan die Wahl eines würdigen Nachfolgers in die Wege zu leiten und diese anschließend moderierend zu beaufsichtigen. Aus aller Welt reist die hohe Geistlichkeit an, all die Kardinäle, aus deren elitärem Kreis sich der nächste Papst rekrutieren wird. Als sich im Herzen des Vatikanstaats die Türen zur Sixtinischen Kapelle schließen, beginnt ein Poker um Macht, Allianzen und die künftige Linie der Kurie zu ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen. Die Favoriten wechseln so rasch wie die Intrigen, die sie zu Fall bringen.
Als Pontifex bestens im Rennen ist zunächst der schwarze Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati). Wird es erstmals einen Heiligen Vater vom afrikanischen Kontinent geben? Da taucht plötzlich Schwester Shanumi im Refektorium auf, ebenfalls aus Afrika, und ein lange Zeit vertuschter Skandal kommt ans Licht. Doch auch Kardinal Tremblay (John Lithgow), der nächste Favorit, scheint Dreck am Stecken zu haben. Hartnäckig hält sich das Gerücht, der alte Papst habe ihn vor seinem Tod zur Demission gedrängt. Kardinal Lawrence findet ein Geheimfach im Bettgestell des Verstorbenen. Der liberale Kardinal Bellini (Stanley Tucci), der von sich selbst sagt, er habe den Glauben an die Kirche verloren, redet auf Lawrence ein, den bibeltreuen Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto), der sich gegen die Segnung gleichgeschlechtlicher Ehen ausgesprochen hat, um jeden Preis zu verhindern. Wird sich am Ende womöglich der in letzter Minute aufgetauchte Kardinal von Kabul, zunächst ein krasser Außenseiter, durchsetzen? Und wie steht es eigentlich um Lawrences eigene Ambitionen auf das höchste Kirchenamt? Ringt er mit eigener Eitelkeit, der „Motte der Heiligkeit“, wie Bellini meint?
Zwar werden die Liberalen hier nicht weniger unbarmherzig gezeichnet als die Konservativen, allen geht es vor allem um Ansehen, Macht und Einfluß, und das mag in Teilen stimmen. Doch allzu offensichtlich pflegt „Konklave“ Vorurteile und Klischees, wie man sie durch die säkulare Brille populistischer Schreiberlinge allzuoft schon präsentiert bekommen hat. Das Kurienkammerspiel speist sich sichtlich aus der Lust von Menschen, die sich selbst eher als kirchenfern bezeichnen würden, an klerikalen Verschwörungstheorien. Aus denen lassen sich zwar spannende Fiktionen spinnen (Dan Browns „Sakrileg“ läßt grüßen) und Machtkämpfe im Vatikan mögen wie der berühmte Eisberg auf dem Meer durchaus ein Teil der Wirklichkeit sein; was aber unter der Oberfläche verborgen liegt und die eigentliche Substanz ausmacht, das macht Edward Bergers Film leider nicht sichtbar, weil es zu unspektakulär ist. Kinostart ist am 21. November 2024
Foto: Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes): Er soll die Wahl des neuen Papstes leiten