© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/24 / 22. November 2024

Falscher Alarm für das Klima
Warum Berechnungen zur Erderwärmung fragwürdig sind: Die Bedeutung des Kohlendioxids für den Klimawandel muß auf den Prüfstand. Vermeintlich wissenschaftliche Projektionen entpuppen sich als politisch motivierte Übertreibungen

In Baku tagt die diesjährige UN-Klimakonferenz vom 11. bis zum 22. November. Zum 29. Mal treffen sich Regierungs­chefs und Delegationen aller Herren Länder, um über Maßnahmen gegen den Klimawandel zu beraten. Weitere Milliarden an Geldern sollen aus den reichen Ländern Europas und des Westens in die Entwicklungsländer umverteilt werden. Doch die Bedeutung schwindet. Umfragen zeigen, daß das Thema in den Medien totgespielt wurde. Von den G20-Regierungschefs fehlen so gut wie alle. Die Führer der wirtschaftsstarken Emittenten klimaaktiver Gase – China, die USA, Deutschland, Frankreich, Indien, Brasilien oder Rußland – nehmen nicht teil. Es ist Zeit, einmal die fragwürdigen Berechnungen der Klimavorhersagen zu durchleuchten.  (mp)

Fritz Vahrenholt

Klimamodelle wissen nichts über die natürliche Klimaentwicklung ohne CO2-Emissionen. Daher wird die seit 1860 zweifelsohne stattgefundene Erwärmung zu 100 Prozent dem CO2 und den anderen Klimagasen zugeschlagen. Dabei wird vernachlässigt, daß es in früheren Zeiten auch ohne menschlichen Kohlenstoffdioxid-Eintrag zu erheblichen Klimaschwankungen gekommen ist, etwa in der mittelalterlichen Warmzeit, in der die Temperaturen in Europa ebenso hoch waren wir heute. Zudem hat man als Ausgangspunkt für die Klimabetrachtung das Jahr 1860 genommen, den Ausgang der letzten Kleinen Eiszeit, einer Zeit, die zu den kältesten Perioden der letzten 2.000 Jahre gehört. Ein nicht zu bestimmender Teil der Erwärmung seit 1860 ist aber der Temperaturerholung nach Beendigung der Kleinen Eiszeit geschuldet.

Klimamodelle sind bis heute nicht in der Lage, die Entwicklung der Wolken sicher zu simulieren. Aus Nasa-Satellitenmessungen über die direkte Sonneneinstrahlung der letzten 25 Jahre ist aber abzuleiten, daß die direkte Sonneneinstrahlung durch einen Rückgang der Wolken nicht nur in Europa, sondern auch weltweit zu einem Anstieg der Temperaturen beigetragen hat. 80 Prozent der Erwärmung der letzten 25 Jahre (nicht der letzten 150 Jahre) lassen sich auf diesen Wolkenverdünnungseffekt zurückführen. 20 Prozent verbleiben beim Treibhauseffekt des CO2. Über die Ursachen der in den letzten Dekaden angestiegenen Sonnenscheindauer gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze.

Modelle können Rolle der Wolken

noch nicht korrekt berechnen

Zum einen wird die zyklische 60jährige Oszillation der Erwärmung und Abkühlung der Meere herangezogen – wir befinden uns seit 1985 in der starken Warmphase des Atlantiks, die zu einer Verdünnung der Wolken führen kann. Zum anderen ist der starke Rückgang der sulfathaltigen Staubteilchen – Aerosole – durch weltweite Emissionsminderung anzuführen. Aerosole verstärken die Wolkenbildung. Nasa-Forscher erklärten die besonders starke Erwärmung seit 2021 mit dem Emissionsverbot von stark schwefelhaltigem Dieselöl bei Schiffen. Der dadurch hervorgerufene Rückgang von Schwefelemissionen von fast 10 Millionen Tonnen Schwefeldioxid soll 85 Prozent der besonderen Erwärmung der letzten Jahre ausmachen. All diese Einflüsse werden in den Klimamodellen nicht hinreichend berücksichtigt.

Kohlenstoffdioxid führt im Laborversuch zu einer Erwärmung von 1,1 Grad Celsius bei Verdoppelung des CO2-Gehalts. 1860 war der CO2-Gehalt 280 ppm („Millionstel“), heute liegt er bei 422 ppm, also um 50 Prozent höher. Das ist unbestritten und wäre alles andere als eine Katastrophe. Die Modelle gehen aber von einer extrem hohen Rückkopplung des Kohlenstoffdioxids mit Wasserdampf aus. Durch die von CO2 erzeugte Erwärmung – so die Modelle – wird mehr Wasserdampf in die Atmosphäre aus den Ozeanen verdampft, so daß die Modelle eine Erwärmungsverstärkung um einen Faktor drei annehmen. Wasserdampf ist ein deutlich stärkeres Klimagas als Kohlenstoffdioxid. Aber mit zunehmendem Wasserdampf in der Luft ist auch eine Tendenz stärkerer Wolkenbildung gegeben, die dem Erwärmungstrend entgegenwirkt. Da die Modelle aber die Wolken nicht berechnen können, springen sie bei der Berechnung der Klimasensitivität des CO2 zu kurz. Die Unsicherheit ist extrem hoch: in der Literatur werden Klimasensitivitäten von 0,6 (also negative Rückkopplung) bis 4,5 Grad Celsius angegeben. Trotzdem erweckt die Klimapolitik den Eindruck, genau zu wissen, wie man die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen kann.

Die Klimamodelle gehen von einer physikalisch nicht begründeten Lebenszeit des Kohlenstoffdioxids in der Atmosphäre aus. Alle Klimamodelle legen das Berner Modell des CO2-Abbaus in der Atmosphäre zugrunde. Das Berner Modell kommt zum Ergebnis, daß 50 Prozent des CO2 innerhalb einer Halbwertszeit von 50 Jahren abgebaut werden, 30 Prozent innerhalb von 1.000 Jahren und 20 Prozent verbleiben auf Tausende von Jahren in der Atmosphäre. Es wird sich einmal als der schlimmste Fehler der Klimawissenschaft und der Klimapolitik erweisen, daß man eine rein mathematische Modellierung des Berner Modells zur Beschreibung der Wirklichkeit herangezogen hat und somit zu extrem falschen Prognosen des Kohlenstoffdioxid-Verbleibs kommt. Es ist unbestritten, daß heute 55 Prozent der CO2-Emissionen von Pflanzen und von den Weltmeeren aufgenommen werden. Die Aufnahme der Meere, insbesondere der Tiefsee ist unbegrenzt, und Pflanzen lieben CO2, so daß die Erde seit Jahrzehnten grüner wird.

Klimawirkung des Kohlendioxids ist wohl geringer als angenommen

Die Pflanzen und die Ozeane wissen nichts von den Emissionen. Sie reagieren nach den Gesetzen der Physik allein auf die sie umgebende Konzentration von heute 422 ppm CO2. Sie werden also weiterhin 10,5 Milliarden Tonnen CO2 und 11,4 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr auch dann aufnehmen, wenn es uns gelingt, die Emissionen zu halbieren. Damit wäre ein Gleichgewichtszustand erreicht und die Klimakatastrophe endgültig abgesagt. Netto-Null wäre also die Halbierung der Emissionen, liebes Bundesverfassungsgericht! Dagegen widersprechen die Klimamodelle mit dem Berner Modell jeden empirischen Untersuchungen. Es ist völlig absurd anzunehmen, daß sich 20 Prozent der Emissionen auf Dauer den physikalischen Gesetzen der Absorption und der Photosynthese entziehen. Das Berner Modell gehört auf den Müll der Wissenschaftsgeschichte. Die Erde hilft uns in der Realität mehr, als mathematische Gleichungen mit zahlreichen Unbekannten suggerieren. Aber Bern paßt ins politische Narrativ des Katastrophenszenarios und wurde daher niemals von Politik und Wissenschaft hinterfragt.

Die Szenarien des Weltklimarats umspannen verschiedene CO2-Emissionsentwicklungen. Die wahrscheinlichste ist das Szenario 4.5, das einen leichten Emissionsanstieg von heute etwa 40 Milliarden Tonnen Ausstoß auf 45 Milliarden Tonnen bis 2050 annimmt, weil China, Indien und die sich entwickelnde Welt weiter fossile Nutzungen ausbauen. Danach sinken die Emissionen auf etwa 25 Milliarden Tonnen bis 2100. Dieses Szenario führt in den Prognosen des Weltklimarats mit den oben beschrieben fehlerhaften Annahmen der Kohlenstoffdioxid-Klimawirkung zu einer Erwärmung von etwa 2,5 Grad. Da die Klimawirkung des CO2 wahrscheinlich deutlich geringer ist, als der Weltklimarat annimmt, werden wir wahrscheinlich bei 1,5 bis 2 Grad in 2100 landen, was alles andere als eine Katastrophe ist. Es ist zumindest kein Grund, das eigene Land Deutschland in Armut und massive Wohlstandsverluste durch eine grüne Deindustrialisierungspolitik zu führen. Wir müssen die CO2-Emissionen reduzieren durch Kernenergie, CO2-Abscheidung bei Kohle und Gaskraftwerken (CCS) und auch Erneuerbare Energien, wo sie sich rechnen. Aber eben nicht auf Null, sondern nur die Hälfte. Und dafür haben wir mehr als eine Generation Zeit.

Der Weltklimarat gibt aber den Politikern ein willkommenes Instrument in die Hand, indem er ein Szenario 8.5 aufführt, das eine Verdreifachung der Kohlenstoffdioxid-Emissionen bis 2100 bedeutet. Dann gehen die Temperaturen in den fragwürdigen Weltklimaratsmodellen auf bis zu 4,5 Gad hoch. Dieses Szenario ist aber völlig unrealistisch, da uns auf diesem Pfad die heute bekannten Kohle-, Öl- und Gasvorräte ausgehen würden.

Mit den Klima-Modellen wird Angst erzeugt, um Politik zu rechtfertigen

Das ist aber das Szenario, das wir in den Schlagzeilen von FAZ, Spiegel, ARD und ZDF wiederfinden. Damit wird Angst erzeugt, damit eine Politik gegen die Interessen der Bürger durchgesetzt werden kann. Ein Szenario, das nie eintreten wird, wird benutzt, um grüne Politik, um Deindustrialisierung mit Wohlstandsverlust durchzusetzen.

Ja, CO2 ist ein schwaches Klimagas, wir müssen es begrenzen und nach Möglichkeit auch in seinen Emissionen weltweit (!) halbieren. Aber es nutzt niemandem, wenn Deutschland sich abschafft mit seinem Anteil von 1,5 Prozent der Weltemissionen und einem Pro-Kopf-Ausstoß von 8,1 Tonnen CO2 gegenüber China mit einem Anteil von 30 Prozent und einem Pro-Kopf-Ausstoß von 8,7 Tonnen Kohlenstoffdioxid. Solange China sich alle Anforderungen an eine Emissionsminderung verbittet, weil es nach den UN-Kriterien ein Entwicklungsland sei, sollte Deutschland, das seine Emissionen fast halbiert hat, nicht versuchen, die Welt zu retten: der CO2-Anstieg Chinas in einem Jahr (von 2022 auf 2023) ist größer als die Gesamt­emissionen Deutschlands.

Der neue Energieminister in den USA Chris Wright hat das Tempo vorgegeben. Er sagt, der Wechsel vom Energieträger Holz zur Kohle hat zwei Generationen benötigt, von Kohle zu Gas, Öl und Kernenergie ebenfalls zwei Generationen. Die Ablösung der fossilen Energieträger wird ähnlich lange benötigen und nicht zwei Legislaturperioden. Eine Regierung eines Landes hat versucht, das in einer Legislaturperiode zu bewerkstelligen und hat damit sich ans Ende der wirtschaftlichen Entwicklung geschleudert. Mal sehen, wie das repariert werden kann.

 

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, Jahrgang 1949, war von 1993 bis 1997 Hamburgs Umweltsenator, dann bis 2012 in Führungspositionen bei  der Deutschen Shell und RWE-Tochter Innogy für Erneurbare Energien zuständig. Er publizierte mehrere Bücher darunter „Die Lage der Nation“ (1983), den ersten Umweltatlas Deutschlands, „Die kalte Sonne. Warum die Klimakatastrophe nicht stattfindet“ (2012). Zuletzt veröffentlichte er „Die große Energiekrise: ... und wie wir sie bewältigen können.“ (2023)

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