© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/24 / 22. November 2024

Käse der Woche
Minderheiten schützen
Christian Vollradt

Etwas, das viel Protein und wenig Fett enthält, muß zwar gesund sein, kann aber nicht schmecken. Sagen Erfahrung und gesunder Menschenverstand. Sportler dürfen da anderer Meinung sein. Hessen sind es wohl auch. Doch damit stehen sie zumindest bezogen auf eines ihrer Nationalgerichte, den hessischen „Handkäs mit Musik“, eher allein da. Die Kombination von Harzkäse und Essig und Zwiebeln landete gerade auf der Liste der am schlechtesten bewerteten Käsesorten der Welt auf Platz vier. Übertroffen – im negativen Sinne – nur unter anderem vom norwegischen Sauermilch-Schimmelkäse Gamalost und amerikanischem Cheez Whiz aus der Sprühdose. Und die deutschen Landsleute sind noch gnadenloser und verwiesen den Handkäse auf Platz 1 des Ekel-Rankings. Ermittelt wurde dies vom Portal „Taste Atlas“ auf Basis von rund 30.000 eingegangenen Einschätzungen. Dabei verfügt das seit 2010 mit dem EU-Siegel „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.) geadelte regionale Produkt über eine lange Tradition. Bereits 1813 soll der Käse als „Groß Gerauer“ schriftlich nachgewiesen worden sein. Böse Zungen behaupten, genauso alt schmecke (und rieche) er auch. Doch auf die Nachfahren der stolzen Chatten soll man an dieser Stelle nichts kommen lassen. Im Sinne der Vielfalt seien sie bestärkt, an den für sie exklusiven Gaumenfreuden festzuhalten, egal was der Rest des Landes davon hält. Sollen es alle anderen doch eklig finden. „Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen’gen nur gewesen“, möchte man ihnen mit Schiller zurufen. Der war im Unterschied zu Goethe zwar kein Hesse, sondern Schwabe, aber wo er recht hat, ist die Herkunft egal. So egal, wie sprichwörtlich ein Harzkäse („der stinkt von allen Seiten“). Also liebe Hessen, eßt ihn nur weiter, euren Handkäs! Und für Männer gibt’s ja noch Mettwurst (kicher kicher).