Seit dem Bruch der Ampel-Regierung hat sich im Bundestag eine Art Hinterzimmer-Regierung gebildet. Nur noch das, was wichtig ist, wollen SPD, Union, Grüne und FDP bis zur Auflösung des Bundestages auf die Tagesordnung setzen, zum Beispiel eine steuerliche Entlastung beim Grundfreibetrag. Die Steuersenkung wird als Wahlkampfmunition gebraucht und soll den Bürgern suggerieren, daß sie entlastet werden, obwohl die Inflation die Senkung schon längst aufgefressen hat.
Alle Anträge und Gesetzentwürfe der AfD-Opposition sollen nicht auf die Tagesordnung des Plenums kommen. In ihnen geht es unter anderem um eine EU-Richtlinie zur Einziehung von Vermögen, ein Recht auf analoges Leben, einen Stopp der Wärmewende, die steuerliche Förderung von Wohnungskäufen, die Stärkung von Apotheken sowie die Ausübung des Wahlrechts durch Deutsche, die im Ausland leben. All diese Initiativen werden blockiert.
Eilig haben es die anderen Fraktionen jedoch mit einem Vorhaben in eigener Sache. Vor den Neuwahlen soll eine Änderung des Abgeordnetengesetzes beschlossen werden, die den Fraktionen freie Hand gibt, mit ihren Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit Parteiarbeit zu betreiben. Das war bisher nicht erlaubt, wurde aber gemacht. Der Bundesrechnungshof hatte kritisiert, „daß die Fraktionen Mittel bei der Nutzung sozialer Medien überwiegend zweck- und damit regelwidrig auch für Parteiaufgaben verwenden“. Viele Fraktionsbeiträge würden direkte Parteiwerbung enthalten. Die Verantwortlichen könnten mangels Rechtsgrundlage nicht bestraft werden, und die Bundestagsverwaltung könne die rechtswidrig verwendeten Gelder nicht zurückfordern. Geld für Werbemaßnahmen haben die Fraktionen genug: 2023 erhielten sie 127 Millionen Euro aus der Steuerkasse.
Jetzt wurden die Konsequenzen aus dem rechtswidrigen Verhalten gezogen. Der Geschäftsordnungsausschuß des Bundestags beschloß mit Mehrheit der Hinterzimmer-Koalition gegen die AfD nicht etwa die Eindämmung dieser rechtswidrigen Praxis, sondern erlaubte sie ausdrücklich. Neben der Unterrichtung der Öffentlichkeit über parlamentarische Vorgänge ist künftig auch die Vermittlung allgemeiner politischer Standpunkte der Fraktionen ein „zulässiger Zweck der Öffentlichkeitsarbeit“. Um ganz sicherzugehen, wurde ausdrücklich in den Gesetzentwurf geschrieben, daß es ein „Gebot politischer Neutralität“ für die Fraktionen nicht gibt.
Etwas verschämt wurde eine zeitliche Grenze gesetzt: Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen braucht sechs Wochen vor einem Wahltermin einen besonderen parlamentarischen Anlaß. Der läßt sich immer finden, wie zum Beispiel bei der steuerlichen Entlastung durch Erhöhung des Grundfreibetrags. Und geradezu niedlich ist die Bestimmung, daß Fraktionsmittel zurückgezahlt werden müssen, wenn gegen die neuen Bestimmungen zur Öffentlichkeitsarbeit verstoßen wird. Das wird jedoch faktisch gar nicht mehr möglich sein.