© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/24 / 22. November 2024

Ländersache: Sachsen
Der Träger ward des Rostes Raub
Paul Leonhard

Risse, Rost und eine Absenkung um vier Zentimeter, statt der maximal zulässigen zwei: Was innerhalb eines Jahres mit einer Spannbetonbrücke in Bad Schandau passierte, ließ selbst die Experten staunen. Und so blieb nach Vorlage des Sondergutachtens den Brückenexperten des sächsischen Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) gar keine andere Wahl, als den wichtigen Elbübergang in der Sächsischen Schweiz wegen akuter Einsturzgefahr sofort zu sperren – und zwar nicht nur für den Autoverkehr, sondern auch für Rettungskräfte, Fußgänger und Radfahrer. Auch für die Binnenschiffahrt wurde dieser Bereich gesperrt.

Daß eine zweite Elbquerung einfach unkontrolliert in den Fluß fällt, wollte nach dem Teileinsturz der Carolabrücke im Zentrum Dresdens in der Nacht zum 11. September niemand riskieren. In Sachsen machen die Menschen eine völlig neue Erfahrung: Brücken sind selbst in Friedenszeiten und jenseits von Jahrhunderthochwassern keine Bauwerke für die Ewigkeit, sondern offenbar höchst fragile Konstruktionen. Und die bisherigen Prüfberichte sind offenbar das Papier nicht wert, auf dem sie ausgedruckt wurden. Hatte die Elbbrücke bei Bad Schandau in der Sächsischen Schweiz nicht noch vor einem Jahr bei der baulichen Bewertung die Note 2,5 erhalten?

Der Kurort Bad Schandau ist nun eine geteilte Stadt. Zum ersten Mal seit 1877 gibt es hier keine Straßenverbindung mehr über die Elbe. Die meisten Hotels liegen auf der einen Elbseite, die S-Bahn-Station auf der anderen. Feuerwehr und Notdienste haben reagiert und ihre vorhandenen Einsatzfahrzeuge verteilt. Zum Glück gibt es noch Fähren.Wer die Fähre nicht nutzen will oder kann, muß elbaufwärts ins tschechische Tetschen ausweichen oder elbabwärts nach Pirna, jeweils rund 20 Kilometer entfernt.

Noch ist die Sperrung der Brücke und damit die Unterbrechung der Bundesstraße 171 nur eine provisorische und gilt bis Ende des Jahres. Aber mit Blick auf die ersten Untersuchungsergebnisse zur baugleichen Dresdner Carolabrücke scheinen die Aussichten schlecht, daß die Brücke in Bad Schandau wieder freigegeben wird. Denn das Hauptproblem ist offenbar ein in den siebziger Jahren in der DDR eingesetzter Spannstahl aus dem Stahlwerk Henningsdorf, der unter Dauerbelastung anfällig für Rißkorrosion ist. Bisher wurden 19 Bauwerke in Sachsen lokalisiert, bei denen dieser Stahltyp eingesetzt wurde. Übrigens wurde in jenen Jahren auch in der Bundesrepublik mit dieser Technologie gebaut, so daß auch dort damals entstandene Brücken genauestens untersucht werden müssen.

Ob im Fall von Bad Schandau Reparaturen möglich und auch sinnvoll sind, sollen jetzt Experten herausfinden. Die in gleicher Bauweise und von demselben Ingenieurbüro wie in Dresden errichtete Brücke weise ähnliche Schadensbilder auf, betont gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk Bauingenieur Steffen Marx von der TU Dresden: Durch Spannungskorrosion verursachte Risse könnten mit Schallsensoren gemessen werden, dieses Verfahren sei jedoch teuer und wurde „deshalb nicht so allgemein üblich eingebaut, wie wir uns das heute rückwirkend wünschen würden“.