© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/24 / 22. November 2024

Kandidatur des VS-Chefs Haldenwang
Amtsethos war gestern
Ulrich Vosgerau

Die freiheitliche Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht gewährleisten kann. Was das sogenannte Böckenförde-Diktum bedeutet, zeigt sich in der beginnenden Postdemokratie fast jeden Tag, und nun eben anhand des allmählichen Bekanntwerdens der näheren Umstände der überraschenden Kandidatur des bisherigen Präsidenten des Bundesverfassungschutzes (BfV), Thomas Haldenwang, für den Bundestag.

Anders als bei Spitzenbeamten, die in die freie Wirtschaft wechseln wollen, gibt es nach geltendem Recht keine Karenzzeiten für den Wechsel eines Behördenpräsidenten ins Parlament. Man brauchte sie allerdings bisher auch nicht, da es früher ein funktionierendes Amtsethos gab, das eine Bundestagskandidatur aus dem Amt eines Behördenpräsidenten heraus verboten hätte. 

Zumal nun deutlich wurde, daß die Kandidatur in Wuppertal Haldenwang keineswegs kurzfristig angetragen worden sein kann: mußte doch erst im Weg einer Intrige die bisher gesetzte Kandidatin Derya Altunok aus dem Weg geräumt werden. Haldenwang selber hatte sich offenbar vorgestellt, bis zum Jahresende trotz der Kandidatur BfV-Präsident bleiben zu können, also bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er aus gesundheitlichen Gründen ohnehin hätte ausscheiden sollen. Für den Bundestag hält er sich aber für gesund genug.


Dr. habil. Ulrich Vosgerau lehrte Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an mehreren Universitäten.