Multikulti-Pädagogik. Der ehemalige Diskriminierungsbeauftragte der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Derviş Hızarcı – in Berlin aufgewachsen, türkische Wurzeln, gläubiger Muslim, Grünen-Mitglied – versucht sich als Ratgeber für eine von ihm erhoffte multikulturelle Gesellschaft. Das sei zwar ein großes, „fast unmögliches“ Unterfangen, wie er einräumt, versuchen wolle er es dennoch. Hızarcıs pädagogischen Hintergrund merkt man dem Text dabei an. Egal, ob es um den Antisemitismus muslimischer Jugendlicher oder rassistische Tendenzen bei geht, stets soll vermittelt, einfühlsam erklärt, bestenfalls in Workshops erarbeitet werden. Die Idee, man müsse eine gesamte Gesellschaft im Dienste von Multikulti lediglich in eine gigantische Dauer-Therapiesitzung verwandeln, überzeugt kaum. Dazu kommt, daß Hızarcı keineswegs frei von parteiischer Wahrnehmung ist. „Die Kinder sind in Ordnung“, bringt er seine pädagogische Haltung auf den Punkt. Die Kinder, das sind in seinem Fall muslimische Schüler. Und da diese „in Ordnung“ sind, kommt der Autor auch recht schnell darauf zu sprechen, wo bei Konflikten mit seinen Schützlingen das eigentliche Problem liegt: selbstverständlich bei ihren „rassistischen Lehrern“. Allerdings könne man diesen ihre Vorurteile glücklicherweise „aberziehen“. (lb)
Derviş Hızarcı: Zwischen Haß und Haltung. Was wir als Migrationsgesellschaft lernen müssen. Suhrkamp Verlag, Berlin 2024, gebunden, 156 Seiten, 18 Euro
Interventionslust. Der echte Etatismus wurde in Deutschland noch nicht ausprobiert – das ist die Schlußfolgerung des Mannheimer Volkswirts Tom Krebs aus der jüngsten Wirtschaftskrise. Der Professor für Makroökonomik plädiert in seinem neuen Buch für verstärkte staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, um der aktuellen Rezession beizukommen. Beispielgebend lobt er das „entschlossene Handeln“ der Bundesregierung während der Corona-Pandemie. Die fehlende wirtschaftliche Erholung nach dem Gaspreisschock infolge des Ukraine-Krieges sei nur darauf zurückzuführen, daß die Ampel den titelgebenden „Fehldiagnosen marktliberaler Ökonomen“ stattgegeben habe. Dazu zählt Krebs unter anderem die abgeschwächte Energiepreisbremse, deren Konstruktion zur Minderung der Produktion geführt habe. Auch sonst wirbt der Volkswirt für linke Rezepte aus der Keynsianischen Mottenkiste als Entwürfe für die aktuelle Politik, darunter eine Vermögenssteuer, Reform der Schuldenbremse sowie höheren Mindestlohn. Damit ließe sich nach Auffassung des regierungsfrommen Mitgliedes der Mindestlohnkommission auch der Aufstieg der AfD verhindern. (kuk)
Tom Krebs: Fehldiagnose. Wie Ökonomen die Wirtschaft ruinieren und die Gesellschaft spalten. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2024, gebunden, 240 Seiten, 25 Euro