Nach dem Ersten Weltkrieg war Deutschland politisch wie militärisch isoliert. Doch bereits im Oktober 1920 forderte Reichswehrchef General Hans von Seeckt eine detaillierte Berichterstattung aus dem Ausland für die Reichswehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Ebenso bestand auch der General a.D. und nunmehrige Reichsverkehrsminister Wilhelm Groener auf dem sich stürmisch entwickelnden Luftfahrtgebiet auf dem Einsatz von sogenannten „Reiseoffzieren“, später von Luftattachés, welche hier wichtige Informationen, vor allem technischer Art, aber ebenso über neue Einsatzgrundsätze einholen sollten. Hierbei lag eine militärisch nutzbare Informationssammlung nicht weit weg von nachrichtendienstlichen Aufgaben. Deshalb waren gemäß dem militärbiographischen Nachschlagewerk von Walter Riccius über die deutschen Luftattachés von 1920 bis 1945 viele deutsche Offiziere in eine nachrichtendienstliche Tätigkeit eingebunden bzw. unterhielten eine enge Verbindung zur „Abwehr“.
War die Zahl der Luftattachés bis 1933 noch relativ gering und wurden deren Aufgaben von deutschen Militärattachés oder Marineattachés nebenbei miterfüllt, so wuchs die Zahl der spezialisierten Luftattachés nach 1933 im Rahmen des Aufbaus der Luftwaffe stark an. Unter den in diesem Bereich tätigen deutschen Offiziere wäre beispielsweise der General Eugen Ott zu nennen, der später sogar vom Militär- und Luftattaché zum deutschen Botschafter in Japan aufrückte.
Es überrascht hier ebenso nicht, den Namen von Harro Schulze-Boysen zu finden, mehr bekannt durch seine Spionageaktivitäten in der „Roten Kapelle“. Jedoch war der Oberleutnant ab 1941 im Rahmen der Attachégruppe des Luftwaffenführungsstabes in Potsdam zusammen mit anderen Offizieren für die Betreuung deutscher Luftattachés im Ausland tätig. Ein späterhin sehr namhafter Luftattaché war Hans Speidel (1897–1984). Als Kompaniechef noch an der Endphase des Ersten Weltkriegs teilnehmend, durchlief er in der Weimarer Republik eine getarnte Generalstabsausbildung sowie eine Ausbildung zum Flugzeugbeobachter. Deshalb war Speidel 1935 in Frankreich unter anderem als deutscher Luftattaché eingesetzt. Nach Kriegsausbruch 1939 ins Landheer zurückkehrend, wurde Generalleutnant Speidel im Jahr 1944 der Stabschef von Feldmarschall Erwin Rommel. 1955 wegen seiner Beteiligung am militärischen Widerstand wieder als Generalleutnant in die Bundeswehr eingestellt, krönte Speidel seine Karriere als Oberbefehlshaber der Nato-Landstreitkräfte in Mitteleuropa.
Nach seinem biographischen Handbuch über die deutschen Marineattachés hat Walter Riccius nunmehr ein adäquates biographisches Handbuch über deren Pendants verfaßt.
Walter Riccius: Die Institution der Luftattachés. Deutsche Luftattachés von Beginn bis 1945. Verlag Dr. Köster, Berlin 2024, gebunden, 493 Seiten, Abbildungen, 38 Euro