© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/24 / 15. November 2024

Wie der Wahlsieg Donald Trumps die politische Kultur der Vereinigten Staaten revolutioniert
Arbeiterkaiser 2.0
Edward Gottfried

Nach Auszählung der Wahlmänner, die in den Vereinigten Staaten traditionell über den Sieger der Präsidentschaftswahlen bestimmen, erhielt Donald Trump eine deutliche Mehrheit und konnte so seine Konkurrentin Kamala Harris aus dem Rennen werfen. Beim „Popular Vote“ beläuft sich das Gefälle auf satte vier Millionen. Außerdem eroberte er den Kongreß für die Republikaner. Man kann mit Fug und Recht von einem Erdrutschsieg des 78jährigen am Vorabend seiner zweiten Amtszeit sprechen.

Für den europäischen Beobachter ist das demokratische Prozedere in den Vereinigten Staaten oftmals nicht ganz verständlich: Entscheidend ist bei der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten nicht die zahlenmäßige Gesamtheit der Stimmen, sondern das Kräfteverhältnis unter den Wahlmännern. Für die Republikaner fällt das Wahlergebnis mit diesem System oftmals ein Stück weit besser aus, als wenn es zum „Popular Vote“, also der Wahl des Präsidenten durch alle Amerikaner, käme.

Dieser Umstand spornt die Demokraten dazu an, das Electoral College der Wahlmänner durch einen Volksentscheid zu ersetzen. Um ihren Stimmanteil weiter zu erhöhen, setzen sie sich außerdem für eine Ausweitung der Briefwahl ein, die nicht so streng kontrolliert werden kann wie die Stimmabgabe an der Urne. Darüber hinaus unterhalten die Demokraten eine ganze Armee von Anwälten, deren einziger Zweck es ist, von der Wahl ausgeschlossene Wähler doch noch zur Stimmabgabe zu berechtigen – etwa im Fall von verurteilten Verbrechern, die in vielen Staaten einfach nicht wählen dürfen. Das ist das politische Schlachtfeld, das sich dem Anblick des Betrachters nach der Wahl darbietet. Wir können davon ausgehen, daß diese Heerschar auch diesmal wieder versuchen wird, im nachhinein noch einen Haufen Stimmen aus dem Hut zu ziehen – doch selbst dieses Kunststück wird ihnen am Ende nicht mehr weiterhelfen.

Im Endspurt ihres Wahlkampfes ist den Demokraten nämlich alles auseinandergeflogen. In ihren Interviews wirkte Harris aufgesetzt. Wann immer ihre auswendig gelernten Phrasen keinen Effekt mehr zeigten, brach sie vor laufender Kamera in schrilles Gackern aus. Von dem, was die Wähler wirklich an die Wahlurne trieb – der Wirtschaftspolitik zum Beispiel –, hatte sie anscheinend überhaupt keine Ahnung. Daß sie in ihrer Verzweiflung Trump schließlich als einen „Faschisten“ schmähte, überspannte den Bogen – am Wahltag hatte sie dieses Lieblingsmotiv schlicht ausgereizt. Und auch als sie ihren Widersacher bezichtigte, ein landesweites Abtreibungsverbot zu planen, konnte Trump abwinken: Er würde als Präsident sogar ein höchstpersönliches Veto gegen ein solches Verbot einlegen, wenn er denn müßte.

Zu allem Überfluß konnte sich Harris auch nicht von der Biden-Administration freischwimmen. Die Assoziation ließ sich einfach nicht abschütteln. Für die Wähler hatte sie nach wie vor die verschwenderischen Staatsausgaben, steigende Preise in den Supermarktregalen und einen nicht enden wollenden Strom von Einwanderern auf dem Kerbholz. Nicht umsonst war sie als „Zarin der Grenze“ im politischen Amerika bekannt – eine Headline, die das Trump-Team erfolgreich im Wahlkampf gelandet hatte. Zu deutlich schien es für viele Amerikaner, daß die Grenz-öffnung einzig und allein dazu dienen sollte, die Demokraten zuverlässig mit neuen Wählermassen zu versorgen.

Lange schon überschütten die Demokraten und ihre Partner in den Nachrichtensendern und Medienkonzernen Trump mit eimerweisem Haß. Dessen hartnäckige Inszenierung als Hitler redivivus, der die Verfassung der Staaten abräumen will, hat bereits tiefe Wunden geschlagen. Die zwei Anschlagsversuche auf den Republikaner – zumindest der zweite wurde von einem glühenden Trump-Hasser verübt – haben diese Verletzungen noch weiter aufgerissen. Aus Wunden wurden Narben. Aus Gräben Fronten. 

Wie in Deutschland und Westeuropa besteht in den Vereinigten Staaten eine schlechthin unüberbrückbare Kluft zwischen bodenständigen, im Hinterland lebenden Populisten und großstädtischen, politisch linksdrehenden Wirtschaftseliten. Die wohlhabenden Radikalen spenden ihrer Partei – den Demokraten – dreimal soviel Geld wie ihre Gegenspieler, die konservativen Republikaner. 

Wie in Deutschland hofiert das Großkapital in den Staaten führende Figuren der Linken. Die von diesen Weltverbesserern vorangetriebene Einwanderungspolitik, die in die Köpfe der Schüler im Klassenzimmer eingehämmerte Vorstellung von „Intersektionalität“ macht unser New Money gerne mit. Dieselben Milliardäre helfen dabei mit, die qualifizierte Belegschaft im Konzern für öffentlich geförderte „Minderheiten“ hintanzustellen. Diese rücken mehr und mehr in höhere Positionen auf. Die anderen haben das Nachsehen. Die offenen Grenzen halten die Arbeitskraft günstig, die sich wiederum auf staatliche Aufträge verlassen kann. Von diesen Zuständen ernüchterte Demokraten wie Joel Kotkin warnen vor dieser Parteispenderklasse. Zu den Großspendern gehören verblüffend häufig die Ex-Frauen oder Witwen namhafter US-Oligarchen – Laurene Jobs oder Melinda Gates (siehe JF 37/24). Erstere besitzt ein Vermögen von 30 Milliarden Dollar. Zweitere kommandiert 15 Milliarden. Leute wie sie müssen sich nicht einmal mehr um irgendwelche Geschäfte kümmern. Sie schwimmen einfach im Geld. 

Konnte der „Arbeiterkaiser“ August Bebel den Antisemitismus einst als „Sozialismus der dummen Kerle“ verspotten, so können wir auf der anderen Seite die Wokeness durchaus als „Marxismus der Schmarotzerkapitalisten“ kennzeichnen. Selbst wenn die Demokraten ihre Ankündigungen, die Steuerlast endlich auf „die Reichen“ und insbesondere auf „die oberen fünf Prozent“ zu verschieben verwirklichten, würde ein solcher Plan kaum zum Nachteil des radikalisierten Kapitals ausschlagen.

Steuererhöhungen treffen längst nur noch die Mittelschicht und Arbeiterklasse. Anfallende Kosten tragen die Schichten ohne betuchte Protegés. Das Kummerbrot brauchen die linken Eliten nicht zu essen. Und so können wir Donald Trump durchaus als Widergänger Bebels, als neuen Arbeiterkaiser bezeichnen, der dem „white trash“ gegen den „woke capitalism“ auf die Beine hilft.

Gerade die Malocher auf der anderen Seite – überwiegend weiß, überwiegend männlich, überwiegend konservativ – haben den Republikanern sechzig Prozent ihrer Stimmwucht verliehen. Die Demokraten hingegen reüssierten bei Frauen, die sie zu 64 Prozent zu sich hinüberziehen konnten. Besonders hervorzuheben sind hier jüngere, gebildete schwarze Frauen, die sich an den Universitäten weit nach links radikalisiert haben. 

Man sieht: Mit Blick auf Staat und die Kultur entfaltet sich in den Vereinigten Staaten ein sprichwörtlicher Krieg der Geschlechter. Weiße Frauen, die in besten Vorstädten Amerikas wohnen, neigen den Demokraten am meisten zu. Dieser zumeist ziemlich wichtigtuerische Typus verkrallt sich mit Vorliebe in eine Reihe von Forderungen: darunter der „Kampf gegen das Patriarchat“ und die Ausweitung der LGBTQ-Rechte bis hin zum ungehinderten Zugang von Minderjährigen zu „geschlechtsangleichenden OPs“.

Reichlich unbeholfen stellte sich Harris bockig, als es darum ging, am „Alfred Smith Memorial Dinner“ teilzunehmen, einer alljährlich stattfindenden katholischen Charity-Veranstaltung in New York City – sowohl von Republikanern als auch von Demokraten unterstützt. Die Geste war klar auf die antichristlichen Affekte ihrer Anhängerschaft zugeschnitten, stieß aber katholische Wähler ab. Ihre Basis hat sich dadurch natürlich nicht vergrößert.  Bereits als Senatorin wies Harris immer wieder Anwärter auf das Bundesrichteramt ab, nur weil diese der katholischen Laienverbindung Knights of Columbus angehörten, einem Verein, der sich der Wohltätigkeitsarbeit widmet und auf prominente Mitglieder wie den einstigen Präsidenten John F. Kennedy zurückblickt. Als Staatsanwältin in Kalifornien hörte sie nicht auf, Lebensrechtler zu belangen. Das ging teils so weit, daß sie auf rechtlich sehr dünner Grundlage für mehrjährige Haftstrafen sorgte. 

Trumps Kantersieg wird die Machtverhältnisse innerhalb der politischen Klasse in den Vereinigten Staaten keinesfalls ändern, wenn er sich nicht an bestimmte Reformen herantraut. So wird er wieder vor der schweren Aufgabe stehen, die Verwaltung in Schach zu halten, die ihm in toto feindlich gegenübersteht. Er kommt nicht umhin, Staatsangestellte, die offen gegen ihn agieren, zu feuern – sofern sie noch nicht verbeamtet sind. Sachkundiger Ersatz stünde bereit. 

„Feindliches Territorium“ für Trump bleibt seit dem Umbau durch Präsident Barack Obama indes auch der amerikanische Geheimdienst, der ebenfalls gegen Trump intrigiert. Vor allem diesen Gegner muß Trump, sobald er das Oval Office betritt, schleunigst aus dem Weg räumen. Dann kann er sogar hoffen, künftige Mordanschläge auch zu überleben – die mit Sicherheit kommen. Auch Justizministerium, FBI und Secret Service müssen zu diesem Zwecke generalüberholt werden. Erst dann sind sie auch für einen Republikaner im Amt von Nutzen. 

Nicht zuletzt Konservative sind immer wieder erstaunt darüber, daß die „proletarisierte“ Rechte ihre linken Kontrahenten als „Konterrevolutionäre“ denunziert. Die Frage steht im Raum, ob die Begriffe der Vergangenheit nicht neu gedacht werden müssen. Wenn die Working Class rechts und Big Money links stehen, wie bei der jüngsten Wahl, verliert der ideenpolitische Rahmen, der bisher in Kraft war, an Geltung. Auf der politischen Bühne werden immer mehr neuartige ideologische Kämpfe ausgefochten. Die Stunde, in der wir die Ideologien aus der Hand legen, hat allem Anschein nach jedenfalls noch lange nicht geschlagen.



Prof. Dr. Paul Edward Gottfried, Jahrgang 1941, Philosoph, studierte in New York und Yale, etwa unter Herbert Marcuse. Er lehrt am Elizabethtown College und ist Chefredakteur des Chronicles-Magazins. Wichtige Studien zu Hegel (1987) und Leo Strauss (2011).