Fuck“, rutschte es der Zeit so konsterniert wie nicht-neutral heraus. Auch ARD-London-Korrespondentin Annette Dittert tippte bei X ein beleidigtes „F*ck“. Donald Trumps deutlicher Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen schockt die linksliberalen Medien in Deutschland.
Zu lange hatten sie Kontrahentin Kamala Harris hoch- und sich selbst samt Leser und Zuschauer von der Realität weggeschrieben. Mitte Oktober verkündete das ZDF-Politbarometer noch, 72 Prozent der befragten Deutschen erwarten Harris als Siegerin, nur 23 sahen Trump vorne. Einen Tag vor der Wahl zeigte eine Insa-Umfrage, 47 Prozent der Deutschen glaubten an einen Erfolg der demokratischen Vizepräsidentin und lediglich 32 Prozent an den ihres republikanischen Herausforderers. Und das während Umfragen in den USA ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorhersagten und zahlreiche Erhebungen vielerorts auf einen Vorsprung Trumps hinwiesen.
Deutsche Zeitungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk blendeten diese systematisch und wunschdenkend aus. Die Zeit zeigte Harris auf dem Cover verheißungsvoll: „Kann sie Amerika retten?“ Der Stern feierte sie als „Die Erlöserin“, und auch die Süddeutsche Zeitung betete „Und erlöse uns“, während Trump nur der „Herr der Lügen“ war. Ist das noch Berichterstattung oder pseudoreligiöser Wahn? Die ARD machte Anti-Trump-Stimmung und plazierte in ihrer Mediathek Dokus wie „USA: Demokratie unter Beschuß“ oder „Mission Wahrheit: Die New York Times und Donald Trump“. Ingo Zamperoni reiste durch die Staaten und warnte belehrend „Wirklich nochmal Trump, Amerika?“.
US-Zeitungen reagieren, während die deutschen beleidigt sind
Um so härter war der Aufprall auf dem Boden der Tatsachen, als das Wahlergebnis feststand. Doch anstatt sich das eigene Versagen, die persönliche Abkehr von journalistischen Standards einzugestehen, reagierten die deutschen Mainstreammedien mit ungläubigem, weinerlichem Trotz. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo bezeichnete Trumps Erdrutschsieg als „Wirklichkeit gewordener Albtraum: Vier Jahre Unsicherheit, vier Jahre Affront, vier Jahre Angst“. „Letzte Nacht habe ich viel geweint“, gestand ZDF-Moderatorin Sarah Bosetti nach der Stimmenauszählung. Der Deutsche Journalisten-Verband warnte vor „Trumps Lügen“ und appellierte an die eigene Zunft, „jeden Satz, jedes Wort von ihm auf den Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen“. „Was zur Hölle bedeutet das alles“ für eine „Zukunft mit Trump“, fragte sich der Social Media Watch Blog.
Aber wirklich reflektiert wird kaum, sondern munter weiter gegen den künftigen US-Präsidenten geschossen. ARD-„Panorama“ titelte kurz nach der Wahl „Trumps Sieg und die Angst danach“. Die Frankfurter Rundschau und BuzzFeed News warnten gar vor „durcheinandergewirbelten“ Ersparnissen und „Extremwetterereignissen, weil Trump nichts fürs Klima tut“. Weltuntergangspanik statt aufklärende Information; es wurde rein gar nichts aus Trumps erstem Sieg und der bereits damals scharfen Kritik an fehlenden objektiven Nachrichten gelernt.
Pressekollegen auf der anderen Seite des Atlantiks sind da ein Stück weiter. „Die Amerikaner vertrauen den Nachrichten nicht mehr“, hatte Amazon-Gründer und Washington Post-Besitzer Jeff Bezos „die harte Wahrheit“ kurz vor dem Urnengang offengelegt und sich damit dafür gerechtfertigt, daß sein Hauptstadtblatt keine Wahlempfehlung für Harris abgab. „Die meisten Menschen glauben, daß die Medien voreingenommen sind. Jeder, der das nicht sieht, schenkt der Realität wenig Beachtung, und diejenigen, die gegen die Realität kämpfen, verlieren. Die Realität ist ein ungeschlagener Champion. Es wäre einfach, anderen die Schuld für unseren langen und anhaltenden Rückgang der Glaubwürdigkeit (und damit für den Rückgang der Wirkung) zu geben, aber eine Opfermentalität wird nicht helfen.“
Auch die Los Angeles Times hatte keine – wie seit Jahren eigentlich übliche –Wahlempfehlung abgegeben. Kurz vor der Wahl hatten einzelne Fernsehmacher der Umfragerealität ebenfalls bereits ins Auge geblickt, und selbst die eher als so linksliberal wie kultig geltende Comedy-Sendung „Saturday Night Live“ machte sich über Kamala Harris lustig.
Trumps erfolgreiche Wähleransprache über neuartige digitale Kanäle hat also die klassischen Medien unter Druck und Zugzwang gesetzt. War Barack Obamas Wahlkampf 2008 die erste auf soziale Medien setzende Kampagne, so zeigte Trump nun den ersten Wahlkampf, bei dem (Video-)Podcasts eine zentrale Rolle spielten. Als Donald Trump Ende Oktober für drei Stunden zu Gast bei der „Joe Rogan Experience“ war, dem erfolgreichsten Podcast der Welt, herrschte im linken Lager blankes Entsetzen. Beobachter vermuteten sogar, Youtube habe versucht, die entsprechende Podcast-Folge in der Reichweite zu beschneiden.
CNN-Reporter Brian Stelter verwies in seinem Newsletter „Reliable Sources“ darauf, daß 2020 noch 25 Prozent mehr Bürger die Wahl über die klassischen Berichterstattungswege verfolgt hätten. Ein zunehmender Teil des Publikums orientiere sich mittlerweile an Youtube und Podcasts. Viele Trump-Wähler mißtrauten nicht nur einfach „dem, was sie lesen, sie lesen es vielfach gar nicht erst“.
Und längst haben rechtsalternative Angebote die digitale Audio- und Bewegtbildwelt erobert. Darunter medienaffine Unternehmer wie Vivek Ramaswamy oder Patrick Bet-David mit ihren Podcasts (JF 35/24). Auch berühmte Ex-Sportler und Podcast-Hosts wie Mike Tyson oder kampfsportnahe Influencer aus dem Umfeld des pro-republikanischen UFC-Chefs Dana White haben sich zu Trump bekannt. „Make America Great Again“-Caps überall vor den Kameras und hinter den Mikrofonen.
„Die alten Massenmedien sind offiziell tot. Ihre Fähigkeit, die Narrative zu bestimmen, ist zerstört. Trump hatte den Medien 2016 den Krieg erklärt. Heute nacht hat er sie total vernichtet. Sie werden nie wieder relevant sein“, schrieb der erfolgreiche „Daily Wire“-Podcaster Matt Walsh bereits in der Wahlnacht auf X.
Vance droht europäischen Nato-Partnern
X selbst hat durch Trumps Erfolg seinen Ruf als neue 5. Gewalt gefestigt. Was seinem Besitzer und leidenschaftlichen Trump-Unterstützer Elon Musk seit Monaten ins Visier der Trump-Gegner rücken läßt – insbesondere in der Bundesrepublik. Selbst der sich zum Grünen-Kanzlerkandidaten erhobene Robert Habeck kündigte an, entschlossener gegen angebliche Desinformationen auf Online-Plattformen vorzugehen. Meinungsfreiheit bedeute nicht, „daß eine künstliche Intelligenz die Algorithmen so steuert, daß die gesellschaftliche Meinung manipuliert wird“, sagte er auf Schloß Neuhardenberg in Brandenburg anläßlich des 35. Jahrestages des Mauerfalls. „Die Regulierung von Algorithmen von X oder TikTok durch die Anwendung der europäischen Rechtsnormen ist zentrale Aufgabe. Wir können den demokratischen Diskurs nicht in die Hände von Elon Musk und chinesischer Software legen.“ Musk, der in der Trump-Administration besondere Aufgaben übernehmen soll, reagierte auf die über X geteilte Rede des deutschen Noch-Wirtschaftsministers mit „Habeck ist ein Narr“.
Kurz zuvor hatte Musk mit einem „Yes!“ Trumps schon 2022 formulierten Plan für die Wiederherstellung der Meinungsfreiheit wachgerufen und geteilt. In dem zwei Jahre alten Kampagnenvideo kündigte Trump für den Fall seiner Wahl mehrere Maßnahmen an, um „das linke Zensur-Regime einzureißen“. In den ersten Stunden nach seiner Amtseinführung möchte Trump demnach eine Anordnung unterzeichnen, die es Behörden untersagt, konspirierend mit Organisationen, Firmen und Privatpersonen die „Redefreiheit von amerikanischen Bürgern zu zensieren, zu limitieren, zu kategorisieren oder zu behindern“. Zudem will er alle öffentlichen Gelder sperren, die genutzt werden, um Äußerungen als „Mis- oder Desinformation zu kennzeichnen“. Jeder an Zensur direkt oder indirekt beteiligte Bürokrat solle darüber hinaus „gefeuert werden“.
In der EU geht man mit dem Digital Services Act genau entgegengesetzte Wege. Der Kampf um die Meinungsfreiheit wird zunehmend zu einem Knackpunkt in den Beziehungen zwischen den USA und Europa. Trumps designierter Vize-Präsident J.D. Vance hatte im September sogar europäischen Nato-Partnern mit einer Reduzierung der US-Unterstützung gedroht, sollte die EU die Meinungsfreiheit und Anbieter wie X einschränken.
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