© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/24 / 15. November 2024

Der Weihnachtsmann spaltet die Familie
Kino: Ein französischer Weihnachtsfilm macht die woke Ideologie zum Zankapfel unterm Christbaum. Zum Lachen oder zum Weinen?
Dietmar Mehrens

Ein neuer Trend zeichnet sich ab: Nachdem in der vor zwei Wochen gestarteten Satire „Alter weißer Mann“ (JF 45/24) schon der deutsche Regisseur Simon Verhoeven die Verwirrungen der Zöglinge des törichten woken Totalitarismus kräftig durch den Kakao zog und dabei vor allem den Riß zwischen älterer Generation und Greta-Thunberg-Jugend zum Thema machte, sind nun unsere französischen Nachbarn am Zuge.

In „Frohes Fest – Weihnachten retten wir die Welt!“ nutzt Regisseurin Jeanne Gottesdiener das sich ankündigende Fest als Kulisse für eine konfliktreiche Komödie, in der aufgeweckte Jugendliche auf schlafmützige Erwachsene treffen, die trotz klimafreundlicher Aufbruchsstimmung immer noch Truthähne in Öfen schieben und Häuser mit Lichterketten in Weihnachtsglanz hüllen. 

Es ist der 23. Dezember in der beschaulichen Kleinstadt St.-Michel-en-Bray. Bürgermeisterin Carole Lamarre (Noémie Lvovsky) hat gerade das festliche Weihnachtsdorf in der Ortsmitte in Augenschein genommen und der Presse ein Interview gegeben. Alles sieht sehr feierlich aus. Noch kann niemand ahnen, daß ein Sturm in der Nacht zu Heiligabend die gewaltigen Weihnachtsmannstatuen ins Wanken bringen und die Lichterketten zum Sicherheitsrisiko machen wird. Ein gefundenes Fressen für Caroles alten Rivalen Fayol, der auch gern Bürgermeister wäre und darum in Form einer Online-Petition aus dem Desaster Kapital zu schlagen versucht.

Die Komödie ist leidlich amüsant, aber nicht sonderlich originell

Auch privat hat Carole mit Widrigkeiten zu kämpfen: Ihr Mann Alain (Didier Bourdon) mosert, daß sie im Weihnachtsstreß vergessen hat, Austern für den Weihnachtsschmaus zu besorgen. Außerdem verdächtigt sie ihn, ein Auge auf die neue Nachbarin geworfen zu haben. Töchterchen Noa hat ein Zwergschwein adoptiert und aus dem ohne Rücksprache mit ihren Eltern errichteten Vorgartenschweinestall ein Protestlager gegen Fleischkonsum gemacht.

Auch bei den beiden erwachsenen Kindern Sarah und David, die sich eher widerwillig zur gemeinsamen Feier einstellen, ist das Christfest nicht gerade hoch im Kurs: Sarahs neuer Hippie-Freund Balthazar, der alle Familienmitglieder mit „Namaste“ und überlängeverdächtigen Umarmungen begrüßt, hat aus ihr eine Nachhaltigkeitsextremistin gemacht und David seine verheißungsvolle Karriere in einem Luft- und Raumfahrtunternehmen eingetauscht gegen seine neue Profession als Computerspieletester.

Während sich Familienoberhaupt Alain auf sein Leibgericht „foie gras“ und den Fest-Truthahn freut, stellen die drei Kinder so ziemlich jede Familientradition in Frage: Fleischkonsum gefährdet das Klima, Wein ist nur gut, wenn er aus biologischem Anbau stammt, der Weihnachtsmann ist nicht geschlechtsneutral und grenzt diverse Gender-Selbstzuschreibungen aus. Mit der Weihnachtsbeleuchtung im Vorgarten, meint jedenfalls Balthazar, könnte man glatt ein afrikanisches Dorf ein Jahr lang mit Licht versorgen. Weitaus stärker bedroht als das Weltklima ist infolge so vieler Meinungsverschiedenheiten am Ende das Klima innerhalb der Familie, und das ausgerechnet zum Fest der Liebe! 

Das leidlich amüsante, aber nicht sonderlich originelle Komödchen gibt sich leider nicht besonders viel Mühe, eine weihnachtliche Atmosphäre zu verbreiten. Denn für einen stimmungsvollen Weihnachtsfilm bedarf es mehr als nur festlich geschmückter Stuben und Plätze und eines Truthahns im Backofen. Daß der leichtgewichtige Familienfilm auf Schnee verzichtet – geschenkt. Denn das entspricht den tatsächlichen Wetterverhältnissen in Westeuropa Ende Dezember. Aber wer einen Weihnachtsfilm schon nicht in der kalten Jahreszeit drehen möchte, sollte zumindest dafür sorgen, daß Gras, Sträucher und Bäume nicht in sattem Sommergrün erstrahlen und wenigstens ab und zu ein kahler Baum zu sehen ist.

Das Christfest, um das es in „Frohes Fest“ dem Namen nach geht, steht klar im Schatten jener neuen Religion, deren Gebote und Gepflogenheiten am Küchentisch und unterm Tannenbaum der Lamarres ausgiebig verhandelt, aber in der Endsumme keineswegs zurückgewiesen werden. Etwas mehr anti-woke Angriffslust oder wenigstens etwas mehr Mut zum Kerngehalt von Weihnachten hätte der französisch-belgischen Koproduktion gutgetan.

Kinostart ist am 14. November 2024

Foto: Familie Lamarre: Konfliktträchtiges Christfest