Für die ersten vier der 12 Concerti op. 8 von Antonio Vivaldi, „Le quattro stagioni“, hat die Geigerin Ragnhild Hemsing zur Hardangerfiedel gewechselt, dem der Viola d’amore ganz ähnlichen und darum Norwegens „eigenes“ Barockinstrument, wie Hemsing kühn behauptet. Gemeinsam mit Hemsing hat der norwegische Komponist Tormod Tvete Vik die Violinstimme für die Hardangerfiedel und die Musiker des Ensembles Barokkanerne die Orchesterstimmen für ihre Instrumente eingerichtet. Die zwischen die vier Konzerte gesetzten Arrangements von Lydarlått, Halling und Springar sowie eines Prélude des französischen Barockkomponisten Marin Marais und die abschließende „Fantasi“ für Hardangerfiedel und Barockensemble der 1981 geborenen Agnes Ida Pettersen besetzen die Plätze, welche Vivaldi seinen den Konzerten beigeordneten Sonetten vielleicht einstmals zugedacht haben könnte.
Wann immer sie sich improvisatorisch vom Notentext zu lösen scheinen, die Freiheiten, welche ihnen die barocke Aufführungspraxis zugesteht, auf unerwartete und eigensinnige Weise ausschöpfen, wann immer sie Elemente der norwegischen Volksmusiktradition in ihren Vivaldi einbringen – Hemsing und das Ensemble Barokkanerne einverleiben sich die Noten nicht, sondern denken sie spielend weiter und noch lange nicht zu Ende. Der überschriebene Notentext ist weder abgeschabt noch ausgewaschen, er scheint durch. Die Musiker aber dieser wundervollen Anverwandlung der Konzerte Vivaldis, dieser norwegischen Jahreszeiten, die scheinen mit allen Wassern gewaschen.
Ragnhild Hemsing: Die norwegischen Jahreszeiten Berlin Classics 2024 www.berlin-classics-music.com, www.ragnhildhemsing.com