Der November steht ganz im Zeichen der Trauerkultur. In diesem sogenannten „Totenmonat“ widmen wir uns häufiger als zu anderen Zeiten Fragen nach der eigenen Sterblichkeit und denken an Verstorbene aus der Familie, dem Freundes- oder Kollegenkreis. So erging es mir jetzt in der Erinnerung an einen meiner geistigen Lehrer, den Philosophen und Publizisten Günter Zehm. Vor genau fünf Jahren, am 11. November 2019, standen mein Chefredakteur und ich zusammen mit knapp drei Dutzend weiteren Trauergästen erst in der denkmalgeschützten Rigal’schen Kapelle in Bonn-Bad Godesberg und dann auf dem dortigen Burgfriedhof, um von dem großartigen Kolumnisten Günter Zehm alias „Pankraz“ Abschied zu nehmen. Er war zehn Tage zuvor mit 86 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Als der ehemalige Feuilletonchef und stellvertretende Chefredakteur der Welt Anfang 1995 mit seiner damals schon legendären Pankraz-Kolumne zur JUNGEN FREIHEIT stieß, konnten wir unser Glück kaum fassen. Von 1975 bis 1989 war sie wöchentlich in der Welt erschienen, danach kurzzeitig im Rheinischen Merkur und schließlich die längste Zeit in der JF. Mit seinem publizistischen Erfahrungsschatz, dem weiten Bildungshorizont und seiner Schreibkunst wurde Zehm zu einer der tragenden Stützen dieser Zeitung. Er war uns Ratgeber und väterlicher Freund. Wir telefonierten mindestens zwei-, dreimal die Woche. Neben seiner Kolumne verfaßte er Leitartikel, Kulturaufmacher, Literaturkritiken, Gedenkblätter und Porträts, Kommentare, Glossen. „Die freie Meinungsäußerung war ihm heilig, allergisch reagierte er auf jedwede totalitäre Bestrebung, wo immer er sie witterte“, schrieb ich in einem Nachruf auf ihn (JF 46/19). Diese Haltung leben wir in seinem Sinne bis heute fort.
Von den zahlreichen Requiem-Vertonungen ist mir die von Verdi wegen ihrer Opernhaftigkeit am liebsten.
„Beim Himmel! der weiß nicht, was er sündigt, der den Staat zur Sittenschule machen will. Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, daß ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte.“ (Friedrich Hölderlin, Hyperion oder der Eremit in Griechenland, Erster Band, 1797)
Apropos Totenmonat und Gedenken an Verstorbene: Wie der Zufall es will, höre ich kommenden Samstag (16. November) im Berliner Dom Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“. Der Italiener komponierte die Trauermusik zu dem Text der katholischen Totenmesse vor genau 150 Jahren; die Uraufführung fand im Mai 1874 in der Kirche San Marco zu Mailand statt. Von den zahlreichen Requiem-Vertonungen ist mir noch vor Hector Berlioz’ „Grande Messe des Morts“ die von Verdi wegen ihrer theatralischen wuchtigen Opernhaftigkeit am liebsten. Seit vielen Jahren (Streifzüge vom 27. März 2015 und 25. Mai 2018) höre ich das Stück immer wieder mal live an verschiedenen Orten. Im Dom tritt der Ernst-Senff-Chor auf, und es spielt die 2013 gegründete Junge Philharmonie Berlin unter der Leitung von Marcus Merkel. Als Solisten treten Barbara Krieger (Sopran), Annika Schlicht (Mezzospran), Sotiris Charalampous (Tenor) und Albert Pesendorfer (Baß) auf. Es gibt noch Restkarten.