Kaum hatten fast alle Regierungschefs der Welt dem Wahlsieger Donald Trump brav oder manchmal zähneknirschend Glückwünsche nach Mar-a-Lago gesendet, da überschlugen sich die großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute in Hiobsbotschaften: Sein Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen sei „ein Schock“, erklärte Berliner Makroökonomieprofessor Marcel Fratzscher, „die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und vor allem sicherheitspolitischen Folgen dieser Wahl könnten dramatisch sein“. Trumps Politik werde „in den USA und weltweit viel Wohlstand vernichten“, prognostizierte der Präsident des grün-roten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Doch auch das arbeitgeberfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ist „schon bange, was da auf uns zukommt“, weil Trump Deutschland wohl besonders im Fokus habe: „Er denkt so schlicht, eindimensional“, behauptete IW-Direktor Michael Hüther in der Börsen-Zeitung. „Und dann kommt nun auch noch eine handlungsunfähige Bundesregierung hinzu, bis Neuwahlen stattfinden.“ Die einst „globalistische“ Haltung der US-Republikaner habe sich gewandelt: „Es kommt eine streng rechte Gruppierung an die Macht mit zum Teil sogar antikapitalistischer Programmatik – die eigenen Unterstützer, ich denke da an Elon Musk, natürlich ausgenommen, warnte Hüther.
Nun die „Rechten“ vorschicken, um das Schlimmste abzuwenden?
Auch das weniger aufgeregte Müncher Ifo-Instituts sieht „erhebliche Probleme“ auf uns zukommen: „Trump verfolgt eine ausgeprägt protektionistische Agenda, die auf höhere Importzölle und stärkere Beschränkungen des internationalen Handels setzt, insbesondere gegenüber China und potentiell auch gegenüber Europa“, erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Deutsche Exporteure, für die die USA mit 158 Milliarden Euro der mit Abstand größte Absatzmarkt sind, müssen mit empfindlichen Einbußen rechnen. Basiszölle von 20 Prozent auf US-Importe aus der EU und 60 Prozent auf Importe aus China „würden allein in Deutschland einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden von 33 Milliarden Euro bedeuten“, so Fuest.
All das hat aber für die Regierenden in Brüssel, Berlin und den Landeshauptstädten ein Gutes: Mit Trump haben sie einen neuen Sündenbock für Deutschlands derzeitige und auch künftige künftige Wirtschaftsmisere und grüne Deindustrialisierung gefunden. Doch die Amerikaner haben die führungslose Präsidentschaft Joe Bidens abgewählt, dem zur Industrieförderung nur die milliardenschweren Schuldenpakete des Inflation Reduction Act (IRA) eingefallen waren. Die Republikaner und Trump sind hingegen erfolgreich als Anwälte des „Kleinen Mannes“ angetreten, als neue Partei der weißen und lateinamerikanischen Arbeiter- und Mittelschicht, der von der Inflation und der Massenmigration bedrohten Leistungsträger. Trump hat versprochen zu liefern: mit dem Abbau des Staatsdefizits (34 Billionen Dollar Schulden) und der Bürokratie und der Steuer- und woken Regelungswut und der Massenabschiebung der Millionen illegalen Einwanderer der Biden-Jahre.
Außenwirtschaftlich interessieren ihn die WTO-Freihandelsregeln der WTO keine Spur, ebensowenig wie schon Biden und Barack Obama (JF 45/24). Im Wahlkampf kündigte er Sonderzölle zwischen zehn und 20 Prozent auf Importe aus der EU und 60 Prozent aus China sowie das Ende der Zollfreiheit des Nafta-Abkommens mit Kanada und Mexiko an. Auch drohte er gelegentlich mit hundertprozentigen Strafzöllen auf Pkw-Importe, da ihn nicht nur Mercedes und Porsche, sondern auch die in Mexiko hergestellten GM- oder VW-Autos auf US-Straßen nervten. Doch zu „Made in USA“ zurückzukehren ist nicht so einfach. Immerhin ist das BMW-Werk in Spartanburg (South Carolina) das weltweit größte des bayrischen Autokonzerns.
Natürlich gibt es bereits Listen für US-Gegenmaßnahmen. Doch bestehen die US-Exporte nach Europa zumeist aus Flüssigerdgas (LNG), High-tech-Gerät und Rüstungsgütern, alle nicht sonderlich geeignet für EU-Gegenzölle. Und solche auf Bourbon, Erdnußbutter und Harley-Davidsons werden Trump erst recht provozieren. Erster Reflex der Europäer wird sein, die wenigen, die wie Viktor Orbán oder Giorgia Meloni den Gesprächsfaden nicht haben abreißen lassen, vorzuschicken, um das Schlimmste abzuwenden.
Falls dies nicht klappt, könnte durch die Schrumpfung des Welthandels um drei Prozent die chinesische Wirtschaft um sechs Prozent zurückgehen und die der EU um 0,5 Prozent, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) schon vor der Wahl gewarnt hat. Dazu gäbe es massive Umleitungen chinesischer Exporte von den USA in die EU. In Deutschland wären vor allem die Auto- und Pharmaindustrie hart betroffen.
Die USA werden erneut aus dem Pariser Klimaabkommen austreten
Schließlich wird Trump wie angekündigt erneut aus dem Pariser Klimaabkommen und der UN-Klimarahmenkonvention aussteigen sowie die US-Zahlungen streichen: Das sei „eine Katastrophe. Es ist zu erwarten, daß Trump in den USA fossile Energien stärken und erneuerbare Energien und Elektromobilität schwächen wird“, konstatiert DIW-Energieökonomin Claudia Kemfert. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und die meisten Regierungschefs Europas wollen dennoch an der „Dekarbonisierung“ festhalten und energieintensive Importe aus CO₂-„Sünderländern“ mit saftigen Sonderzöllen in Gestalt sogenannter Grenzausgleichsabgaben (CBAM) abstrafen.
Diese würden allerdings nicht nur Öl ins tatsächlich drohende transatlantische Feuer gießen, sondern auch mit dem Rest der Menschheit zusätzliche Handelsdispute provozieren. Eine Entsorgung des gesamten Irrwegs des „Green Deal“ tut deshalb mehr denn je dringend not, auch wenn die aktuellen Kommissars-Anhörungen im Brüsseler EU-Parlament diese Hoffnung nicht gerade bestärken.
Kiel Policy Brief 178/24: ifw-kiel.de/de/publikationen/us-handelspolitik-nach-2024-was-fuer-europa-auf-dem-spiel-steht-33389/