© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/24 / 15. November 2024

Der Corona-Profiteur steht vor kritischer Prüfung durch Investoren
Spannender Krimi bei Pfizer
Thomas Kirchner

Vertragsabschluß per SMS. Ursula von der Leyen steht wegen der fragwürdigen Bestellungen der Corona-Impfstoffe bei Pfizer-Chef Albert Bourla in Milliardenhöhe seit langem in der Kritik. Es drängt sich der Verdacht auf, Pfizer habe ungerechtfertigte Gewinne auf Kosten der Steuerzahler gemacht. Ein schneller Blick auf die Entwicklung des Aktienkurses scheint das zu bestätigen: Von einem Niveau um die 35 Dollar vor Covid stieg die Aktie auf etwa 60 in der Spitze der Impfkampagnen. Das entspricht einem Anstieg des Marktwerts von 200 auf in der Spitze 344 Milliarden Dollar.

Doch seitdem geht es bergab. Aktuell liegt der Marktwert bei 151 Milliarden Dollar, der Aktienkurs steht bei 26. Mehr als 40 Milliarden zusätzlichen Gewinn dürften die Impfstoffe Pfizer eingebracht haben. Knapp zehn Milliarden zahlte Pfizer an zusätzlichen Steuern. Bei großzüger Rechnung kann man einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag den gestiegenen Dividenden zurechnen. Wo ist das Geld geblieben? Diese Frage stellt auch der Hedgefonds Starboard Value, der bekannt ist für seine Attacken gegen schlechtes Unternehmensmanagement. Dabei kommt es meist zu einem Wechsel des Aufsichtsrats und des Topmanagements. Die scharfäugige Aufsicht durch solche Aktivisten, die in Europa weit weniger ausgeprägt ist, dürfte ein wichtiger Bestandteil der hohen Bewertung von US-Aktien sein. Einen Anteil von einer Milliarde Dollar hält Starboard an Pfizer. Bei einem Fondsvolumen von acht Milliarden zeigt dies, daß Starboard sich seiner Sache sicher ist.

Starboard kritisiert Bourlas katastrophale Entscheidungen, die Milliarden kosteten. Bis 2024 sollten 15 neue Medikamente je mindestens eine Milliarde einbringen sollten. Nur zwei werden das Ziel erreichen, zwei kommen nahe dran, der Rest wurde nach Milliardenkosten entweder eingestellt oder dümpelt vor sich hin. Für 70 Milliarden Dollar kaufte Pfizer andere Pharmafirmen auf. Statt 20 Milliarden Zusatzumsatz bis 2030 werden es eher 13. Durch diese Fehleinschätzung zahlte Pfizer Milliarden zuviel. Starboards Einstieg bei Pfizer verlief ähnlich tolpatschig wie die Impfstoffbestellungen. Versehentlich hatte Pfizers ehemaliger Finanzchef Frank D’Amelio bei einer E-Mail an einen Starboard-Mitarbeiter Bourla als Mitempfänger eingetippt. Damit war Pfizer nicht nur vorgewarnt, daß der bekannte Aktivist die Firma im Visier hatte, sondern auch, daß Ex-Führungskräfte mit Starboard zusammenarbeiten.

Es ist nicht ungewöhnlich, daß Konzernchefs im Ruhestand Hedgefonds unterstützen, wenn sie von den Leistungen ihrer Nachfolger enttäuscht sind. Auch Bourlas Vorgänger Ian Reed, der während seiner Amtszeit eine Zerschlagung des Konzerns erwogen hatte, beriet Starboard. Offenbar drohte Pfizer beiden daraufhin mit kostspieligen Klagen, Rückforderung gezahlter Gehälter und der Annullierung von Aktienoptionen. Ob diese Erpressung legal war oder illegal, wird sich nie feststellen lassen. Die beiden beendeten nur drei Tage später ihre Zusammenarbeit mit Starboard und bekundeten ihre Loyalität zu Bourla.

Ab Dezember sind Nominierungen für die Aufsichtsratswahl auf der nächsten Hauptversammlung möglich. Auch ohne Reed und D’Amelio wird Starboard keine Schwierigkeiten haben, qualifizierte Kandidaten zu finden. Angesichts des schlechten Abschneidens Bourlas werden ihm viele Aktionäre die Stimme verweigern. Auch wenn Starboard die Mehrheit knapp verfehlt, ist ein Rücktritt Bourlas denkbar.