Die Geldtöpfe im deutschen Außenministerium scheinen noch immer randvoll zu sein. 200 Millionen Euro zusätzliche Winterhilfen hat Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem jüngsten Kiew-Besuch versprochen. Auf der anderen Seite liefert aber Nordkorea nicht nur Soldaten, sondern nach Angaben des Ukraine-Experte des österreichischen Bundesheeres, Oberst des Generalstabs Markus Reisner, bereits zum zweiten Mal bis zu drei Millionen Schuß Artilleriemunition. Dagegen habe der „Westen“ der Ukraine bis dato lediglich 650.000 Stück geliefert, so Reisner bei einem Vortrag beim Zentrum für Militärgeschichte der Bundeswehr in Potsdam.
Derweil wird an der Front im Osten weiter gestorben. Und die russische Armee frißt sich mit Hilfe von Gleitbomben unter hohen Verlusten durch die ukrainischen Linien, erobert in zähem Ringen Dorf für Dorf, während Kampfdrohnen im jeweiligen feindlichen Hinterland für zivile Opfer sorgen. Aus den USA kommen Signale, daß Donald Trump tatsächlich gewillt ist, sein Wahlkampfversprechen einzulösen und spätestens 24 Stunden nach seinem Amtstritt am 20. Januar mit einem Friedensabkommen den Ukraine-Krieg zumindest einfriert.
Je länger der Krieg dauert, desto ungünstiger wird die Lage für Kiew
So schreckte das Wall Street Journal Kiew und seine europäischen Verbündeten kurz nach der US-Wahl mit der Nachricht auf, Trumps Beraterteam habe Vorschläge für einen Friedensplan vorgelegt, nach denen die Ukraine für mindestens 20 Jahre auf einen Nato-Beitritt verzichtet und im Gegenzug modernste US-Waffen erhält, die Rußland dauerhaft von neuen Agressionen abhalten sollten.
Auch von einer 1.287-Kilometer-Pufferzone entlang der russisch-ukrainischen Front ist die Rede. Europäische und britische Truppen sollen diese überwachen und Länder wie Deutschland, Polen, Frankreich und Großbritannien für die Finanzierung aufkommen, berichtet der britische Telegraph. US-Truppen sollen an der Mission nicht beteiligt werden. „Wir schicken keine amerikanischen Männer und Frauen, um den Frieden in der Ukraine zu sichern, und wir bezahlen nicht dafür“, zitiert das Wall Street Journal ein Mitglied des Trump-Teams: „Wir können Training und andere Unterstützung bieten, aber das Gewehr bleibt europäisch.“
Während sich Rußlands Präsident Wladimir Putin offen für Gespräche mit Trump zeigt und dessen Wunsch, die ukrainische Krise zu beenden, lobt, verwahrt sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch gegen derartige Pläne und schließt einen Waffenstillstand mit den Russen definitiv aus: „Ein Waffenstillstand, das ist die Vorstufe, um unsere Souveränität und unsere Unabhängigkeit zu zerstören.“ Gleichzeitig warnte Selenskyj vor einer Appeasement-Politik. Zugeständnisse gegenüber Putin bedeuteten einen „Selbstmord für Europa“.
Allerdings befinden sich seine Soldaten seit Wochen in der Defensive. Sollte Trump seine Drohung wahrmachen, würde mit den USA der wichtigste Waffenlieferant wegfallen. Bisher hat Washington Kiew Waffen im Wert von knapp 129 Milliarden US-Dollar geliefert und für 60 Milliarden zugesagt. Deutschland hat seinerseits nach Angaben des Tagesspiegels Waffenlieferungen für 41 Milliarden Euro getätigt, im Gegensatz zu den USA als Geschenk, Frankreich für 17,6 und Großbritannien für 15,6 Milliarden US-Dollar.
Bei einer Ablehnung des Plans würde Washington sofort jegliche Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine einstellen. Setze aber Trump die US-Waffenlieferungen aus, könnte die Ukraine nicht länger als drei Monate durchhalten, sagte Sicherheitserperte Maximilian Terhalle im ZDF-Interview. „Je länger der Krieg dauert, desto mehr verändert er sich zuungunsten der Ukraine“, so Reisner in Anbetracht von fehlendem Gerät, Ausrüstung und Personal auf ukrainischer Seite.
Offenbar versucht Washington, der Ukraine eine Brücke zu bauen
Zumal in vielen europäischen Ländern auch mit Blick auf die Millionen ins Ausland emigrierter Ukrainer die Stimmung längst gekippt ist und die Einheimischen weiteren Waffenlieferungen skeptisch gegenüberstehen. Auch deswegen beharrt Putin nach Angaben seines Sprechers Dmitrij Peskow auf den Zielen der militärischen Spezialoperation in der Ukraine: „Die Interessen Rußlands und der in der Ukraine lebenden russischen Bevölkerung müßten gewahrt bleiben, so Peskow: „Von einer Änderung war nicht die Rede.“
Offenbar sehen die US-Pläne auch vor, Selenskyj eine Brücke zu bauen, indem die Ukraine nicht aufgefordert wird, das Ziel der Wiedererlangung ihres gesamten Territoriums aufzugeben. Sie müsse sich aber verpflichten, auf einen Einsatz des Militärs zu verzichten und allein auf den diplomatischem Weg setzen. Putin dürfte mit einer derartigen Formulierung leben können. Für die Ukraine würde ein vorläufiges Ende des Konfliktes bedeuten, daß die überfälligen Präsidentschaftswahlen stattfinden können, bei denen Selenskyj keine Mehrheiten mehr finden dürfte. Damit wäre aber auch ein Neuanfang möglich, speziell was die Einhaltung internationaler Regeln zum Umgang mit Minderheiten im Vielvölkerstaat Ukraine betrifft, die unter dem derzeitigen Präsidenten ausgehebelt worden waren.
Ob nun Putin oder Trump den ersten Schritt tut, ist die große Frage. Rußland sei bereit zur Wiederherstellung der Beziehungen zu den USA, jedoch seien diese am Zug, hieß es seitens des russischen Präsidenten. Trump sagte dagegen in einem NBC-Interview über Putin: „Er ist ein tapferer Mann“, der sich nicht beirren lasse und für seine Ideale kämpfe: „Ich glaube, daß wir reden werden.“