© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/24 / 15. November 2024

Ländersache: Niedersachsen
Ein Maulwurf an der Leine?
Christian Vollradt

Es ist der Stoff, aus dem Krimi-Drehbücher sind: 2021 werden im Hamburger Hafen 16 Tonnen Kokain sichergestellt – die bis dahin größte gefundene Menge dieser Droge in Europa. Den Marktwert bezifferte man auf eine Summe zwischen einer halben und einer Milliarde Euro. Zuständig für die Ermittlungen gegen die tatverdächtige Bande aus Hannover war ein junger Leitender Staatsanwalt aus der niedersächsischen Landeshauptstadt. 

Nun sitzt eben dieser Beamte selbst in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Yashar G. soll die Verdächtigen mit geheimen Informationen aus dem Ermittlungsverfahren versorgt haben, so daß sich die Köpfe der Gruppe, die als Speditionsfirma getarnt mit der berüchtigten niederländischen Kokain-Mafia in Kontakt stehen soll, kurz vor einer bundesweiten Razzia 2022 noch rechtzeitig ins Ausland absetzen konnten. Daduch wurden anstatt der rund 30 ausgestellten Haftbefehle nur 19 vollstreckt. Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge habe der Beamte im Gegenzug für den mutmaßlichen Geheimnisverrat rund 65.000 Euro von dem Hannoveraner Kokskartell bekommen. 

Pikant: Als den verhafteten Bandenmitgliedern vor dem Landgericht Hannover der Prozeß gemacht wurde, saß ihnen Staatsanwalt Yashar G. als Ankläger gegenüber. Dabei geriet der 39jährige Jurist bereits früh in den Verdacht, ein „Maulwurf“ zu sein. Der Strafverteidiger eines der Angeklagten hatte sich offenbar mit einer brisanten Nachricht an eine Richterin gewandt: Sein Mandant belaste Polizeibeamte und einen Staatsanwalt, die Drogenbande mit Informationen versorgt zu haben. Dieser Hinweis soll auch an einen Abteilungsleiter im niedersächsischen Justizministerium ergangen sein. Sollten hier Ermittler diskreditiert werden oder war es der Hinweis auf einen handfesten Behördenskandal? Ein Verfahren wurde eingeleitet, die Wohnung des Staatsanwalts durchsucht, beschlagnahmte Datenträger ausgewertet. Der Verdacht erhärtete sich allerdings nicht, das Verfahren wurde Ende 2023 wieder eingestellt.  

Gegen „unbekannt“ wurde aber weiter ermittelt. Und weil in diesem Zusammenhang in den vergangenen Wochen Chatnachrichten entschlüsselt werden konnten, erhärtete sich nun ein „dringender Tatverdacht gegen G. Unter anderem schrieb eines der Bandenmitglieder in nicht ganz astreinem Deutsch: „Eine statssnwalt den die kenne hat gesagt … Er ist korrupt Ist von Hella Engel“. Letzters meint offenbar den im Raum Hannover geschäftlich umtriebigen Rocker-Club Hells Angels.

Was nun der Opposition im Landtag übel aufstößt: Trotz des Verdachts des Geheimnisverrats  blieb Staatsanwalt G. weiter mit Drogenverfahren und dem riesigen Kokainfund betraut. „Unverständlich“ nennt das die Rechtspolitikerin Carina Hermann (CDU). Auch daß die interne Ermittlung gegen den Staatsanwalt nicht wie sonst an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben wurde, sondern in Hannover blieb, „hätte sich die Justiz so nicht erlauben dürfen“, monierte Hermann gegenüber der Legal Times Online. Der beschuldigte Staatsanwalt sitzt derweil in Untersuchungshaft. Für ihn gilt natürlich wie üblich die Unschuldsvermutung.